Topographische Zeitreise

Dirk Eidemüller

Landkarte der gesamten Erde

titoOnz/iStock

Wie hat wohl die Erde vor vielen Millionen Jahren ausgesehen? Mithilfe von Theorien zur Plattentektonik lässt sich zwar untersuchen, wie sich die Kontinentalplatten gegeneinander verschoben haben und wie daraus Gebirge und Risszonen entstanden. Welchen Effekt das aber auf die Erdoberfläche hatte, hängt zusätzlich von weiteren Faktoren wie der Stärke der Erosion und der Sedimentation ab. Mit einem neuen Computermodell, das all diese Prozesse berücksichtigt, haben Forscher nun die globale Entwicklung der Topographie der Erde über die letzten 100 Millionen Jahre im Detail simuliert. Wie sie in der Fachzeitschrift „Science“ berichten, lassen sich damit einige offene Fragen der Geologie beantworten – etwa wann und wo verstärkte Sedimentationsprozesse aufgetreten sind.

Im Lauf der letzten 100 Millionen Jahre haben unterschiedliche Prozesse die Gestalt der Erdoberfläche geprägt. Insbesondere haben Hebungen und Senkungen, die durch tektonische Prozesse angeregt werden, die Topographie verändert. Dazu wird die Erdoberfläche aber auch durch Erosion beeinflusst, die insbesondere Gebirgszüge abschleift und das Material in tiefere Gefilde verfrachtet. Dort lagert sich das Material dann als Sediment ab und kann Gewässer verflachen oder sogar völlig versanden lassen. Diese Sedimente können aber ihrerseits durch Erosion – vor allem durch Fließgewässer – wieder bewegt werden. All diese Prozesse werden zudem von der Vegetation beeinflusst. Wie vergangene Untersuchungen bereits zeigten, war die Oberfläche unseres Planeten somit auf geologischen Zeitskalen sehr variabel.

Wie genau sich die Topographie in den vergangenen 100 Millionen Jahren im Detail verändert hat, untersuchten nun Tristan Salles von der University of Sydney in Australien und seine Kollegen mit einem neuen hochauflösenden Computermodell. Der untersuchte Zeitraum von 100 Millionen Jahren reicht damit sogar weiter zurück als das Aussterben der Dinosaurier vor rund 66 Millionen Jahren. In ihrer Simulation unterteilten die Forscher die Erde in Segmente mit einer räumlichen Auflösung von zehn Kilometern und einer zeitlichen Auflösung von einer Million Jahren. Zudem berücksichtigten sie nicht nur die geologischen Einflussfaktoren, sondern auch die Wechselwirkungen zwischen den geologischen Gegebenheiten, dem Klima, der Biodiversität sowie den biogeochemischen Kreisläufen.

Damit ist es den Forschern gelungen, ein Computermodell zu entwickeln, das mit den geologischen Analysen zur Topographie vor Millionen von Jahren in Einklang ist. Das macht Hoffnung, dass das Modell die räumliche und zeitliche Entwicklung der Erdoberfläche in hohem Detailgrad nachvollziehbar macht. Das Computermodell von Salles und seinen Kollegen zeigte etwa gewisse räumliche und zeitliche Variationen der Sedimentationsrate – also der Geschwindigkeit mit der sich Sedimente ablagern. Und das entspricht auch geologischen Beobachtungen. Doch bislang war noch nicht geklärt, wodurch diese Fluktuationen verursacht wurden. Denn die Witterungsbedingungen, die für Erosion sorgen, haben sich über den gesamten Zeitraum nicht grundlegend geändert. Das ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass biogeochemische Kreisläufe eine wichtige Rolle für die Sedimentation spielen könnten. Die Hoffnung ist nun, dass das neue Modell von Salles und seinen Kollegen die räumliche und zeitliche Entwicklung der Erdoberfläche in einem hohem Detailgrad nachvollziehbar macht.

 

Simulation der Erdoberfläche

Simulation der Erdoberläche über 100 Millionen Jahre

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2023/erde-topographische-zeitreise/