Kern im inneren Erdkern

Jan Oliver Löfken

Grafik der Erde, aus der ein Viertel herausgeschnitten wurde: Im Inneren sieht man einen glühenden Erdkern und unterschiedliche Schichten

iStock/Rost-9D

Rund 2900 Kilometer unterhalb der Erdoberfläche beginnt der Erdkern. Dieser besteht aus einem flüssigen äußeren Bereich, der bis zu einer Tiefe von etwa 5100 Kilometern reicht, und einem festen inneren Bereich, der sich bis zum Erdmittelpunkt erstreckt. Doch in dem inneren Erdkern, der sich hauptsächlich aus Eisen und zu einem Fünftel aus Nickel zusammensetzt, könnte ein weiterer bisher unentdeckter Bereich aus reinem Eisen liegen – der innerste Erdkern. Zu diesem Schluss kommen nun Geophysiker, die seismische Daten schwerer Erdbeben neu analysierten. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift „Nature Communications“.

Da Bohrungen mit gerade mal zehn bis zwölf Kilometern Tiefe nur in die oberste Kruste der Erde reichen, müssen Geophysiker für einen tieferen Einblick in den Aufbau der Erde indirekte Messmethoden nutzen. Sie untersuchen beispielsweise, wie sich Druckwellen nach einem starken Erdbeben durch die Erde ausbreiten. Diese seismischen Wellen werden an den Grenzen der verschiedenen Erdschichten teils gebrochen und teils reflektiert. Gelangen sie nach ihrer Reise durch den Erdkörper wieder an die Oberfläche, können die Wellen dort mit empfindlichen Messgeräten aufgezeichnet werden. So können Forscher Rückschlüsse auf die verschiedenen Erdschichten ziehen.

Die Grafik zeigt die unterschiedlichen Schichten des Erdinneren. Im Zentrum, dem inneren Erdkern, findet sich eine weitere Kugel, der innerste Erdkern.

Innerster Erdkern

Um den Aufbau der Erde noch besser zu verstehen, untersuchten Thanh-Son Phạm und seine Kollegen von der Australian National University in Canberra nun starke Erdbeben der vergangenen zehn Jahre genauer. Dabei konzentrierten sie sich auf ein Beben der Stärke 7,9, das am 22. Januar 2017 die Region der Salomoninseln im Pazifik erschütterte. Der Grund: Die von dem Beben erzeugten Druckwellen breiteten sich durch den gesamten Erdkörper aus – einschließlich des inneren Bereichs des inneren Erdkerns. Zudem wurden die Druckwellen danach auf der gegenüberliegenden Nordhalbkugel von zahlreichen Messstationen aufgezeichnet.

Diese Aufzeichnungen analysierten die Geophysiker mit komplexen Methoden nun genauer. So konnten sie selbst winzige Hinweise auf mögliche Grenzen im inneren, festen Erdkern aufspüren. Und tatsächlich zeigte die Analyse, dass im inneren Erdkern ein weiterer innerster, ebenfalls fester Kern vorliegen könnte. Dieser hat einen Radius von etwa 650 Kilometern. Aus den Seismogrammen konnten die Forscher auch auslesen, wie die seismischen Wellen an den Grenzen der verschiedenen Bereiche im Erdinneren ihre Geschwindigkeiten änderten – ein Hinweis auf die unterschiedlichen Dichten der Erdschichten. So stellten Phạm und seine Kollegen fest, dass der neu entdeckte, innerste Erdkern wahrscheinlich aus reinem Eisen besteht.

Diese Studie legt nahe, dass der Aufbau der Erde noch komplexer ist als bisher angenommen. Solche Detailanalysen geben zudem Hinweise, wie sich die Erde vor gut 4,5 Milliarden Jahren gebildet hat. Bevor aber die Existenz des innersten Erdkerns in Schulbücher übernommen wird, müssen weitere Untersuchungen die neuen Ergebnisse bestätigen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2023/seismologie-kern-im-inneren-erdkern/