Interstellarer Komet mit ungewöhnlichen Eigenschaften

Rainer Kayser

Die Aufnahme zeigt einen hellen Punkt mit einem Schweif in der Mitte.

ESO/O. Hainaut

Am 30. August 2019 entdeckte der Amateurastronom Gennadi Borisov einen Kometen, der sich als ungewöhnlich erwies: Es handelte sich um einen Besucher aus dem interstellaren Raum – einen Himmelskörper, der vor vielen Millionen Jahren aus seinem eigenen Sonnensystem ausgestoßen wurde. Zur Überraschung der Astronomen schien er sich aber nicht von den bekannten Kometen unseres Sonnensystems zu unterscheiden. Um weitere Rückschlüsse auf die Entstehungsgeschichte von 2I/Borisov zu ziehen, untersuchten gleich zwei Forscherteams die Gas- und Staubhülle des Kometen im Detail. Wie die Astronomen nun in zwei unterschiedlichen Fachzeitschriften berichten, befindet sich 2I/Borisov in einem wesentlich ursprünglicheren Zustand als alle bekannten Kometen unseres Sonnensystems.

Mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte ESO untersuchten Stefano Bagnulo vom Armargh Observatory in Großbritannien und seine Kollegen das von dem Kometen reflektierte Licht. Denn aus der Polarisation des Lichts, das von der Gas- und Staubhülle – auch Koma genannt – reflektiert wird, lassen sich Rückschlüsse auf die Beschaffenheit der enthaltenen Staubpartikel ziehen. „Die Polarisation ist stärker als es für Kometen unseres Sonnensystems üblich ist“, so die Wissenschaftler. Eine starke Polarisation zeige, so Bagnulo und seine Kollegen, dass die Staubteilchen klein und fluffig, also locker aufgebaut sind. In der Fachzeitschrift „Nature Communications“ folgern die Forscher daraus, dass sich 2I/Borisov seit seiner Entstehung kaum durch äußere Einflüsse verändert hat.

Künstlerische Darstellung des Kometen 2I/Borisov

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Der einzig bislang bekannte Komet mit ähnlich starker Polarisation ist Hale-Bopp, der im Jahr 1995 entdeckt wurde. Auch bei ihm handelt es sich um einen sehr ursprünglichen Kometen, der vermutlich erst das zweite Mal durch das innere Sonnensystem zog und dabei dem Einfluss der Sonnenstrahlung ausgesetzt war. Doch während die Polarisation bei Hale-Bopp ungleichmäßig war, ist sie bei 2I/Borisov über die ganze Koma hinweg homogen. „Das deutet darauf hin, dass Borisov sogar noch ursprünglicher ist als Hale-Bopp“, so Bagnulo und seine Kollegen. Der neue interstellare Besucher sei in seinem Ursprungsystem vermutlich niemals in die Nähe des Zentralsterns gelangt.

Weitere Rückschlüsse auf die Geschichte des Kometen erlauben die Beobachtungen von Bin Yang vom Institut der Europäischen Südsternwarte in Santiago in Chile und seinen Kollegen mit der Radioteleskopanlage ALMA. Wie die Astronomen im Fachblatt „Nature Astronomy“ berichten, deuten die Messungen auf einen hohen Anteil von festen Gesteinsteilchen größer als ein Millimeter in der Koma hin. Was zunächst wie ein Widerspruch zu den Beobachtungen von Bagnulo und seinem Team wirkt, lässt sich aber erklären.

„Optische Beobachtungen sind empfindlich für Partikel im Mikrometerbereich oder darunter, unsere Beobachtungen dagegen sind empfindlich für millimetergroße Teilchen“, so Yang. Die beiden Teams haben also unterschiedliche Bestandteile der Kometenkoma beobachtet. Yang und seine Kollegen folgern aus ihren Beobachtungen, dass 2I/Borisov vermutlich in einer Region seines Heimatsystems entstanden ist, in der es bereits viele größere Gesteinskörper gab. Denn nur durch viele Kollisionen solcher Gesteinsbrocken könnten, so die Forscher, die von ALMA nachgewiesenen Gesteinspartikel entstanden sein.

ESOcast 236: Der erste interstellare Komet

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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2021/interstellarer-komet-mit-ungewoehnlichen-eigenschaften/