Schneller Radioblitz aus der Galaxis

Rainer Kayser

Ausbruch auf einem Neutronenstern

NASA's Goddard Space Flight Center/S. Wiessinger

Im Jahr 2006 entdeckten Astronomen in einer fernen Galaxie einen extrem kurzen Ausbruch von Radiostrahlung. Obwohl man das nur Millisekunden andauernde Phänomen seither in vielen weiteren Sternsystemen beobachtete, rätseln Forscher noch über dessen Ursprung. Jetzt spürten drei internationale Forscherteams einen solchen schnellen Radioblitz erstmals auch innerhalb der Milchstraße auf – und identifizierten als Quelle einen bereits bekannten Neutronenstern. Die neuen Beobachtungen könnten entscheidend dazu beitragen, den schnellen Radioblitzen auf die Spur zu kommen, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.

Im Lauf der Jahre formulierten Forscher zahlreiche Hypothesen, was die kurzen Radioausbrüche verursacht – von verdampfenden Schwarzen Löchern über explodierende Sterne bis hin zu außerirdischen Zivilisationen. Unter den vielen Theorien favorisieren Astronomen allerdings solche, die im Zusammenhang mit den starken Magnetfeldern junger Neutronensterne stehen. Das Problem: In der Milchstraße gibt es viele solcher Magnetare, doch schnelle Radioblitze ließen sich bislang nur in weit entfernten Galaxien beobachten. Am 28. April dieses Jahres änderte sich das. Die Spezialteleskope CHIME in Kanada und STARE2 in den USA registrierten einen extrem kurzen Radioausbruch, dessen Position mit dem schon bekannten Magnetar SGR 1935+2154 übereinstimmt. Wie sich zeigte, hatten die beiden Weltraumteleskope Swift und Fermi bereits am Vortag mehrere Ausbrüche von Gamma- und Röntgenstrahlung von dieser Quelle empfangen. Zudem stießen die Astronomen in Daten von weiteren Detektoren im All auf einen Röntgenausbruch, der sich zeitgleich mit dem Radioblitz ereignete.

Damit liefert der Radioblitz vom 28. April viele neue Einsichten in das rätselhafte Phänomen. Denn bisher ließ sich bei keinem anderen schnellen Radioblitz eindeutig ein Neutronenstern als Quelle ausmachen. Und auch der Nachweis von Signalen in anderen Bereichen des elektromagnetischen Spektrums stellt ein Novum dar. Die Forscher hoffen daher, dass die gesammelten Daten künftig Rückschlüsse auf die physikalischen Prozesse hinter dem Phänomen erlauben. Viele Wissenschaftler halten es beispielsweise für möglich, dass das starke Magnetfeld des Neutronensterns eine Teilcheneruption an der Oberfläche auslöst. Prallen die dabei ins All geschleuderten Materiepartikel auf umgebendes Gas, lösen sie dort eine Stoßwelle aus, die schließlich zu dem Radioblitz führt.

In jedem Fall muss eine plausible Theorie erklären, warum es in der Milchstraße zwar viele Magnetare, aber nur wenige Radioblitze gibt. Denkbar wäre etwa, dass die Radiostrahlung stark gebündelt ausgesendet wird – dann würde sie nämlich seltener genau auf die Erde treffen. Alternativ könnten auch sehr spezielle Bedingungen nötig sein, damit eine gewöhnliche Eruption zu einem Radioblitz führt. Die weitere Analyse des Ereignisses vom 28. April dürfte den Astronomen wichtige Hinweise liefern, um die verschiedenen Hypothesen zu überprüfen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2020/schneller-radioblitz-aus-der-galaxis/