Die ältesten Bausteine der Milchstraße

Anne-Dorette Ziems

Künstlerische Darstellung der Milchstraße mit Blick von oben auf die galaktische Scheibe. Ein Teil der Sterne ist grün eingezeichnet, ein anderer violett. Letztere sind weiter links in der Galaxie. Sie überlappen sich teilweise.

S. Payne-Wardenaar/K. Malhan/MPIA

Unsere Heimatgalaxie ist nicht plötzlich entstanden. Stattdessen sind im Laufe der Jahrmilliarden mehrere kleine Galaxien nach und nach zu der Milchstraße verschmolzen, die wir heute kennen. Nun gelang es Forschenden, die Überreste von zwei dieser kleinen Galaxien aus den Anfängen unserer Galaxis zu finden. Im Fachmagazin „Astrophysical Journal“ berichten die Wissenschaftler, dass es sich um sehr alte Bausteine handelt. Schon vor 12 bis 13 Milliarden Jahren seien die urzeitlichen Galaxien, die das Team Shakti und Shiva nennt, mit der ursprünglichen Milchstraße verschmolzen.

Schon seit Milliarden von Jahren vereinnahmt unsere Heimatgalaxie immer wieder kleinere Galaxien. Dennoch gibt es Möglichkeiten, solche Bausteine der heutigen Milchstraße auszumachen. Denn ihre Sterne behalten bestimmte Eigenschaften, wenn sie mit anderen Galaxien verschmelzen – zum Beispiel ihre Energie und ihren Drehimpuls. Zudem beinhalten ältere Sterne weniger metallische Elemente, also solche, die schwerer sind als Helium. Auf der Suche nach Überresten von Galaxien, die mit der frühen Milchstraße verschmolzen sind, halten Forschende also Ausschau nach größeren Gruppen von metallarmen Sternen, die alle etwa gleich viel Energie und Drehimpuls aufweisen.

Daten aus umfassenden Himmelsdurchmusterungen

Genau so sind Khyati Mahan und Hans-Walter Rix vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg vorgegangen. Dazu nutzten sie Daten aus der Gaia-Mission der ESA, die bereits Positionen, Positionsänderungen und Entfernungen für fast 1,5 Milliarden Sterne in unserer Galaxie vermessen hat. Diese kombinierten sie mit hochaufgelösten Sternspektren des Sloan Digital Sky Survey, der Informationen über die chemische Zusammensetzung der Sterne liefert. So spürten sie zwei auffällige Gruppen metallarmer Sterne mit bestimmten Kombinationen von Energie und Drehimpuls auf. Diese nannten sie Shakti und Shiva.

Künstlerische Darstellung der Milchstraße seitlich auf die galaktische Scheibe. Ein Teil der Sterne sind blau eingezeichnet und mit Shiva markiert. Sie befinden sich über und unter der Mitte der Scheibe in der Mitte. Sterne, die mit Shakti beschriftet sind, sind orangefarben dargestellt und weiter außen.

Shiva und Shakti in der Milchstraße

Diese sind nicht die ersten Überreste von kleinen Galaxien, die mit der Milchstraße verschmolzen sind. Basierend auf den Daten von Gaia sind bereits weitere solcher Strukturen entdeckt worden – beispielsweise der Gaia-Enceladus/Sausage-Sternstrom. Die neu entdeckten Überreste sind mit ihrem geschätzten Alter von 12 bis 13 Milliarden Jahren jedoch älter als die bisherigen Funde. Damit zählen sie zu den bisher ältesten Funden und damit auch zu den frühesten Bausteinen der Milchstraße, die vor etwas über 13 Milliarden Jahren entstanden ist.

Auch jetzt laufen die Missionen Gaia, der Sloan Digital Sky Survey und weitere Himmelsdurchmusterungen weiter und liefern immer mehr Daten. Damit lassen sich Shakti und Shiva vermutlich als zwei der frühesten Bausteine der Milchstraße bestätigen. Zudem werden sich möglicherweise noch weitere Überreste kleinerer Galaxien zeigen, die im Laufe der Geschichte ebenfalls mit unserer Milchstraße verschmolzen sind.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2024/galaxie-entwicklung-milchstrasse-aelteste-bausteine/