Aufruhr in der Milchstraße

Rainer Kayser

Spiralförmige Galaxie

ESA

Vor einigen Hundert Millionen Jahren flog eine Zwerggalaxie knapp am Milchstraßensystem vorbei – und hinterließ Spuren. Das zeigen extrem präzise Positions- und Bewegungsdaten von sechs Millionen Sternen, die ein internationales Forscherteam nun analysierte. Die von der Raumsonde Gaia erfassten Daten liefern damit einen spannenden Einblick in die Geschichte der Milchstraße, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.

„Als wir in den Daten auf deutliche Strukturen stießen, waren wir zunächst geschockt und vermuteten als Ursache einen Fehler“, berichtet Teresa Antoja von der Universität Barcelona in Spanien. Doch eine Vielzahl von Tests bestätigte die Echtheit der Muster. Antoja und ihre Kollegen hatten die Verteilung der Sterne bezüglich ihrer Positionen und Geschwindigkeiten untersucht. Überraschenderweise ergab sich dabei keine gleichmäßige Verteilung. Stattdessen zeigten sich je nach ausgewählten Komponenten linien- und spiralförmige Muster.

Diagramm mit Spiralstruktur

Spiralförmiges Muster in den Daten

Solche Strukturen deuten darauf hin, dass irgendetwas die Sternbewegung in der Vergangenheit beeinflusst haben muss. Die wahrscheinlichste Ursache wäre die enge Begegnung mit einer anderen Galaxie. Mithilfe von Computersimulationen versuchten die Forscher um Antoja, die in den Daten beobachteten Muster zu reproduzieren. Mit Erfolg: Der Vorbeiflug einer Zwerggalaxie irgendwann in den vergangenen 300 bis 900 Millionen Jahren hätte die beobachteten Strukturen verursachen können. Vermutlich handelte es sich bei dem Sternsystem um die heute etwa 70 000 Lichtjahre von der Erde entfernte Sagittarius-Zwerggalaxie, die knapp 100 Millionen Sterne enthält.

In etwa 100 Millionen Jahren wird die kleine Nachbargalaxie mit der Milchstraße zusammenstoßen, schätzen Astronomen. Doch schon in der Vergangenheit kam es immer wieder zu engen Begegnungen. Die letzte liegt vermutlich 200 bis 1000 Millionen Jahre zurück. Das stimmt mit den Ergebnissen von Antoja und ihren Kollegen überein. Mithilfe genauerer Modelle wollen die Wissenschaftler jetzt versuchen, die Begegnung der beiden Sternsysteme präziser zu datieren.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2018/aufruhr-in-der-milchstrasse/