Was ist die Milchstraße?

Rainer Kayser

Milchstraße

In früheren Zeiten war der Anblick der Milchstraße jedem vertraut: Als schimmerndes Band spannt sie sich über den nächtlichen Himmel. Heute ertrinken selbst helle Sterne im Lichtermeer der Städte. Um den schwachen Schein der Milchstraße zu sehen, müssen wir uns an einen dunklen Ort fernab der Stadtbeleuchtung begeben. Dann allerdings bietet das milchige Band einen unvergesslichen Anblick. Was aber ist die Milchstraße?

Auf dunklen Untergrund erstreckt sich das helle Band der Milchstraße, teilweise durch Dunkelwolken verdeckt.

Ein 360-Grad-Panorama der Milchstraße

Als Galileo Galilei 1609 das gerade erfundene Fernrohr an den Himmel richtete, erkannte er, dass die Milchstraße aus unzähligen schwach leuchtenden Sternen besteht. Der deutsch-britische Astronom Wilhelm Herschel schloss 1785 aufgrund von Sternzählungen, dass die Milchstraße eine linsenförmige Ansammlung von Sternen sein müsse, zu der auch die Sonne und alle anderen am Himmel sichtbaren Sterne gehören.

Die erste realistische Abschätzung der Größe der Milchstraße gelang 1919 dem Amerikaner Harlow Shapley durch die Untersuchungen der Verteilung der Kugelsternhaufen. Er konnte auch zeigen, dass die Sonne nicht – wie bis dahin angenommen – im Zentrum, sondern eher im äußeren Bereich der Milchstraße liegt. Als Shapleys Kollege Edwin Hubble in den 1920er Jahren dann zeigte, dass die so genannten „Nebelflecken“ in Wahrheit Sternsysteme weit außerhalb der Milchstraße sind, war klar, dass die Milchstraße keine „Welteninsel“ im ansonsten leeren Weltraum ist, sondern nur eines von unzählig vielen Sternsystemen. Die Fachbegriffe „Galaxis“ für unsere Milchstraße und „Galaxie“ für andere Sternsysteme leiten sich übrigens von dem altgriechischen Wort „galaxias“ ab, wobei „gala“ wiederum „Milch“ bedeutet.

Eine Balkenspiralgalaxie in Aufsicht.

Milchstraße von oben

Heute wissen wir, dass die Milchstraße eine etwa 100.000 Lichtjahre große scheibenförmige Balkenspiralgalaxie ist, die 100 bis 300 Milliarden Sterne enthält. Unser Sonnensystem befindet sich etwa 25.000 Lichtjahre vom Zentrum der Milchstraße entfernt am Rand eines Spiralarms. Von der Erde aus gesehen liegt das Zentrum der Milchstraße im Sternbild Schütze (Sagittarius) und ist hinter dunklen Gaswolken verborgen. Beobachtungen im Radio- und Röntgenbereich zeigen, dass sich dort ein Schwarzes Loch mit etwa der viermillionenfachen Masse der Sonne befindet. Die scheibenförmige Milchstraße ist eingebettet in einen etwa 165.000 Lichtjahre großen sphärischen Halo aus Kugelsternhaufen. Die Gesamtmasse der Galaxis wird heut auf 1,0 bis 1,9 Billionen Sonnenmassen geschätzt, wovon etwa 80 Prozent auf das Konto der rätselhaften Dunklen Materie gehen.

Da wir uns selbst innerhalb der Scheibe der Milchstraße befinden, sehen wir die meisten Sterne innerhalb eines Bandes am Himmel – eben in der Milchstraße. Aber auch alle Sterne, die außerhalb des Milchstraßen-Bandes am Himmel stehen, gehören zum Sternsystem Milchstraße. Mit „Milchstraße“ bezeichnet man heute also sowohl das schimmernde Band am Nachthimmel, als auch das Sternsystem, zu dem unser Sonnensystem gehört.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/hinter-den-dingen/milchstrasse/