Vermessung des Weltalls lässt Rätsel offen

Rainer Kayser

Gebilde im All, das im inneren blau und an den Rändern von flammenartigen Schwaden umgeben ist

NASA/CXC/U.Texas

Woraus besteht das Universum – und wie schnell dehnt es sich aus? Auf diese Fragen hat ein Forscherteam die bislang genauesten Antworten erhalten. Dazu werteten die Astronomen Daten von über 1500 Sternexplosionen in bis zu 10,7 Milliarden Lichtjahren Entfernung aus. Doch ihr Ergebnis, wie schnell sich das Weltall ausdehnt, steht in deutlichem Widerspruch zu einem mit einer anderen Methode ermittelten Wert. Das deute auf ein bislang unbekanntes Phänomen im jungen Kosmos hin, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Astrophysical Journal“.

Im Rahmen des Projekts Pantheon+ haben Dillon Brout vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge in den USA und sein Team bestimmte Arten von Sternexplosionen – Supernovae des Typs Ia – analysiert. Diese Sternexplosionen leuchten alle gleich hell auf und sind daher für Astronomen äußerst wertvoll. Beobachtet man, wie hell wir sie von der Erde aus sehen, lässt sich daraus die Entfernung der Explosion berechnen. Mithilfe dieser kosmischen Messlatte lässt sich dann bestimmen, woraus das Universum besteht und wie schnell es sich ausdehnt.

Dies berechneten die Forscher anhand des gemessenen Lichts der Sternexplosionen. So bestätigen die Daten genauer als alle vorigen Messungen das bisherige kosmologische Modell. Nach diesem Modell macht die Materie, aus der das Universum – sprich Sterne, Planeten und auch wir Menschen – bestehen, nur einen verschwindend kleinen Anteil von etwa fünf Prozent des Kosmos aus. Dominiert wird das Universum vielmehr von Dunkler Materie und Dunkler Energie – zwei bislang rätselhafte Bestandteile.

Die Dunkle Materie macht etwa 29 Prozent des Kosmos aus und sorgt dafür, dass Galaxien und Galaxienhaufen von der Schwerkraft zusammengehalten werden. Die sichtbare Materie allein würde dazu nicht ausreichen und so wären ohne Dunkle Materie niemals Sterne, Planeten und auch kein Leben entstanden. Rätselhafter noch ist die Dunkle Energie: Astronomen sehen sie als Ursache dafür an, dass sich das Universum immer schneller ausdehnt, nachdem es vor 13,8 Milliarden Jahren im Urknall entstanden ist. Denn ohne eine zusätzliche Art von Energie müsste diese Ausdehnung langsamer werden. Nun zeigen die Daten von Pantheon+, dass die Dunkle Energie im Verlauf der kosmischen Geschichte vielmehr konstant blieb, und bestätigen bisherige Vermutungen dieser Art.

Darüber hinaus berechneten die Autoren der Studie, wie schnell sich das Universum heute ausdehnt. Astronomen beschreiben die Ausdehnungsgeschwindigkeit mit der Hubble-Konstanten, benannt nach Edwin Hubble, dem Entdecker der kosmischen Expansion. Die Forscher errechneten für die Hubble-Konstante einen Wert von 73,4 mit einer Unsicherheit von nur noch 1,3 Prozent. Ähnliche Werte waren bereits auf diese Weise bestimmt worden, allerdings deutlich weniger präzise. Es gibt jedoch auch eine zweite, unabhängige Methode, die Hubble-Konstante zu bestimmen. Sie basiert auf einer genauen Untersuchung der kosmischen Hintergrundstrahlung – einer Art Strahlungsecho des Urknalls – und liefert einen Wert von 67,4 mit einer Unsicherheit von 0,7 Prozent.

Bislang hatte es unter Forschern immer noch die Hoffnung gegeben, dass sich dieser markante Unterschied zwischen den errechneten Hubble-Konstanten schlicht als statistischer Fehler erweisen würde. Doch mit den neuen Daten ist die Wahrscheinlichkeit dafür auf weit unter ein Zehntausendstel Prozent gesunken. Diese Abweichung, auch Hubble-Spannung genannt, lässt sich dank der neuen, präzisen Bestimmung, kaum mehr als Zufallsergebnis werten.

„Wir hatten gehofft, mit unseren Daten eine mögliche Lösung für das Problem zu finden – stattdessen müssen wir viele Erklärungen verwerfen und die Unterschiede sind ernster als zuvor“, sagt Brout. Die unterschiedlichen Werte für die Hubble-Konstante deuten also auf bislang unbekannte physikalische Phänomene im jungen Kosmos hin. Doch welcher Natur diese Phänomene sind, muss sich erst noch zeigen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2022/dunkle-energie-vermessung-des-weltalls-laesst-raetsel-offen/