Rätsel um Betazerfall gelöst

Dirk Eidemüller

Die Grafik zeigt einen Kreis. In dem Kreis befinden sich vier weitere Kreise von denen Pfeile wegführen.

Welt der Physik

Beim Betazerfall wandelt sich in einem Atomkern entweder ein Neutron in ein Proton um und setzt dabei ein Elektron und ein Antineutrino frei. Oder ein Proton zerfällt in ein Neutron, wobei ein Positron und ein Neutrino freigesetzt werden. Seit rund einem halben Jahrhundert stehen Kernphysiker vor einem Rätsel. Denn die gemessene Zerfallsrate von Atomkernen ist geringer als erwartet. Im Fachjournal „Nature Physics“ berichten Wissenschaftler nun, woran das liegen könnte: Unter den extremen Bedingungen im Inneren von Atomkernen spielen die Wechselwirkungen zwischen mehreren Protonen und Neutronen eine größere Rolle als angenommen.

Bislang nutzen Physiker einen Rechentrick, um die gemessene Zerfallsrate zu erklären: Sie multiplizierten den theoretischen Wert mit einem Korrekturfaktor, sodass die Ergebnisse wieder zu den experimentellen Werten passten. Woher dieser Faktor kommt und wie er sich noch genauer bestimmen lässt, haben Peter Gysbers von der University of British Columbia in Vancouver und seine Kollegen nun mithilfe eines Supercomputers ermittelt. Das Team simulierte den Betazerfall von leichten und mittelschweren Elementen bis hin zu Zinn-100. Die komplizierten Berechnungen ergaben, dass für den Betazerfall auch bislang nicht berücksichtigte Wechselwirkungen eine Rolle spielen. Demnach können etwa zwei Protonen in ein Proton und ein Neutron zerfallen, oder ein Proton und ein Neutron zu zwei Neutronen werden.

Die neue Studie eröffnet damit einen tieferen Einblick in Atomkerne. Ein möglichst präzises Verständnis des Betazerfalls ist beispielsweise für Experimente wichtig, die mithilfe sogenannter exotischer Betazerfälle nach Abweichungen vom Standardmodell der Teilchenphysik suchen. Vor allem der sogenannte neutrinolose Doppelbetazerfall würde auf neuartige Wechselwirkungen hinweisen. Die theoretischen Vorhersagen zu diesem Zerfall schwanken aber stark, je nachdem welches theoretische Modell die Wissenschaftler nutzen. Dank der nun entwickelten Berechnungsmethode sollten künftige Kalkulationen deutlich genauer ausfallen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2019/raetsel-um-betazerfall-geloest/