Lasergekühlter Antiwasserstoff

Dirk Eidemüller

Die Bewegungen vor und nach der Laserkühlung sind durch verschieden eingefärbte Bahnen dargestellt.

Chukman So/TRIUMF

Kurz nach dem Urknall entstanden den gängigen physikalischen Theorien zufolge Materie und Antimaterie zu praktisch gleichen Teilen. Heute enthält das Universum aber offenbar nur noch Materie. Wie es zu diesem Ungleichgewicht kam, wissen Physiker bislang nicht. Große Hoffnung ruht deshalb auf Experimenten an Antimaterie, mit denen sich etwaige Unterschiede aufdecken lassen. Einen entscheidenden Schritt hierzu hat nun die Alpha-Kollaboration am CERN gemacht. In der Zeitschrift „Nature“ berichten die Wissenschaftler, dass sie Antiwasserstoff mithilfe von Lasern gekühlt haben. Dadurch ließe sich künftig nicht nur präziser erforschen, wie sich Antimaterie verhält, es sind auch neue fundamentale Tests der Physik möglich.

Seit über zehn Jahren untersucht das internationale Forscherteam im Alpha-Experiment bereits Atome aus Antiwasserstoff. Diese setzen sich aus einem Antiproton im Kern und einem Positron – dem Antiteilchen des Elektrons – in der Atomhülle zusammen. In der Vergangenheit war es zwar gelungen, Antiwasserstoffatome in einer magnetischen Falle einzuschließen und dort zu erforschen. Doch die Teilchen sausten in der Falle schnell umher, was die Präzision von Experimenten limitierte. Bei gewöhnlichen Atomen nutzen Physiker bereits seit Jahrzehnten das Verfahren der Laserkühlung, um die Temperatur eines Gases abzukühlen beziehungsweise die mittlere Geschwindigkeit der enthaltenen Teilchen zu senken. Denn je wärmer ein Gas ist, desto schneller bewegen sich die Atome darin zufällig hin und her.

Um Gasatome mithilfe von Laserlicht abzubremsen, machen sich Forscher ein grundlegendes Prinzip der Physik zunutze – den Dopplereffekt: Bewegt sich eine Licht- oder Schallquelle auf uns zu, erreichen uns etwas höhere Frequenzen. Bewegt sie sich dagegen von uns weg, messen wir geringfügig niedrigere Frequenzen. Dieses Phänomen lässt sich etwa beim Martinshorn eines Rettungswagens beobachten. Für die Kühlmethode ist außerdem entscheidend, dass Atome das Laserlicht nur bei ganz bestimmten Frequenzen absorbieren können. Die Frequenz des eingestrahlten Lichts lässt sich nun so einstellen, dass sie knapp unterhalb einer dieser Frequenzen liegt.

Bewegen sich die Atome auf den Laserstrahl zu, verschiebt sich für sie durch den Dopplereffekt die eingestrahlte Frequenz – und einzelne Atome im Gas können das Licht plötzlich absorbieren. Aufgrund der Impulserhaltung erhalten die Teilchen dabei einen kleinen Rückstoß. Kurz darauf senden sie wieder ein Lichtquant mit derselben Frequenz aus und erhalten erneut einen Rückstoß. Da die Teilchen die Photonen immer nur aus einer Richtung absorbieren, aber in alle möglichen Richtungen aussenden, werden sie im Mittel abgebremst.

Dieses etablierte Verfahren setzte die Alpha-Kollaboration nun erstmals auch für Antimaterie ein. Jeder Treffer mit einem Lichtteilchen eines passend eingestellten ultravioletten Lasers ließ ein Antiwasserstoffatom um jeweils rund zwölf Kilometer pro Stunde abbremsen. Durch mehrere Dutzend solcher Treffer bei einem Atom verringerte sich die Geschwindigkeit des Antiwasserstoffatoms drastisch.

Die Laserkühlung von Antiwasserstoff verspricht eine Reihe möglicher neuer Versuche an Antimaterie. So denken die Forscher darüber nach, all die empfindlichen Tests, die bisher an normalem Wasserstoff durchgeführt wurden, auch an Antiwasserstoff auszuprobieren. Mit kaltem Antiwasserstoff sollte etwa extrem präzise Interferometrie möglich sein. Damit ließe sich überprüfen, ob Antimaterie der Gravitation in derselben Weise unterliegt wie normale Materie. Sollten sich hier Diskrepanzen zeigen, wäre das ein Hinweis auf ganz neue physikalische Gesetzmäßigkeiten. Denn laut Einsteins Relativitätstheorie dürfte hier kein Unterschied bestehen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2021/lasergekuehlter-antiwasserstoff/