Virtuelle Photonen verdrehen Flüssigkristall

Jan Oliver Löfken

Grafik: Mehrere ovale Stäbchen übereinander drängen in eine Richtung, die mit einem roten Pfeil angezeigt wird. Eine grau angedeutete Schlinge deutet eine Drehung an

J. Munday et al./University of Maryland

Stehen sich zwei Metallplatten im luftleeren Raum und bei tiefen Temperaturen gegenüber, ziehen sie sich leicht an. Dieser Casimir-Effekt beruht auf allgegenwärtigen Quantenfluktuationen: Aus dem Nichts entstehen jeweils Paare aus Elementarteilchen, die innerhalb von Sekundenbruchteilen wieder verschwinden. Die Dichte der sogenannten virtuellen Teilchen ist zwischen den Platten geringer als außerhalb, wodurch die Platten zusammengedrückt werden. In der Fachzeitschrift „Nature“ berichten Physiker nun, dass sie nicht nur diese Casimir-Kraft, sondern erstmals auch ein Casimir-Drehmoment exakt gemessen haben.

„Um das Casimir-Drehmoment zu messen, müssen zwei flache Objekte sehr nah zusammengebracht werden“, erläutert Jeremy Munday von der University of Maryland in den USA. Für seine Experimente wählte er gemeinsam mit seinen Kollegen lichtdurchlässige Kristalle wie Kalkspat oder Lithiumniobat. Diese Kristalle bewegte das Team bis auf einige Millionstel Millimeter an einen Flüssigkristall heran. Die Idee dahinter: Quantenfluktuationen sollten in dem extrem schmalen Zwischenraum eine Kraft hervorrufen und den Flüssigkristall verdrehen. Um diesen Effekt nachzuweisen, schickten die Wissenschaftler polarisiertes Licht durch Kristall und Flüssigkristall. Denn mit der Ausrichtung des Flüssigkristalls ändert sich auch die Durchlässigkeit für das eingestrahlte Licht.

Die Physiker analysierten das von einem Lichtsensor hinter dem Experiment aufgefangene Licht und stellten fest, dass der Abstand zwischen den Kristallen tatsächlich eng mit der hindurchgelassenen Lichtmenge zusammenhing. Kam der feste Kristall dem Flüssigkristall extrem nah, drang signifikant weniger Licht durch den Aufbau. Je kürzer die Distanz, desto stärker verdrehte sich offenbar der Flüssigkristall. Die dabei wirkenden Drehmomente lagen in der Größenordnung von einigen Nanonewtonmetern, berichten Munday und sein Team.

Dieser Effekt mag zwar schwach sein. Doch in Zukunft ließe er sich beispielsweise für die Kontrolle von Nanoteilchen nutzen. „Die Beobachtung des Casimir-Drehmoments ist ein Schlüsselbeitrag zur Grundlagenphysik mit weitreichenden Auswirkungen“, sagt Slobodan Žumer von der Universität Ljubljana in Slowenien in einem begleitenden Kommentar. Die Wissenschaftler um Munday wollen in weiteren Versuchen eine Vielzahl optischer Materialien nutzen, um die Messungen des Casimir-Drehmoments weiter zu verfeinern. Die Casimir-Kraft hatte der niederländische Physiker Hendrik Casimir 1948 vorhergesagt, zehn Jahre später wurde sie im Experiment bestätigt.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2018/virtuelle-photonen-verdrehen-fluessigkristall/