Empfindlich wie eine Fingerspitze

Jan Oliver Löfken

Finger mit einer aufgeklebten goldenen Folie, auf die eine Nadel drückt

Someya et al./Univ. Tokyo

Mithilfe hunderter Rezeptoren in unseren Fingerspitzen lassen sich feine Strukturen, Wärme oder Druck ertasten. Dieser hochempfindliche Tastsinn lässt sich unter anderem mit elektronischen Sensoren immer besser nachbilden. Zwei Forschergruppen entwickelten nun neue Prototypen für solche Sensorfolien, wie sie in der Fachzeitschrift „Science“ berichten. Diese elektronischen Folien haben das Potenzial, auch Robotern ein vergleichbares Feingefühl wie Menschen zu verleihen.

Zunächst woben Sunghoon Lee von der Universität Tokio und seine Kollegen ein filigranes Netz aus 200 bis 400 Nanometer dicken Kunstharzfasern. Auf diesem Netz deponierten sie ein weiteres Gitter aus ebenso dünnen Goldstreifen. Indem sie mehrere dieser Schichten abwechselnd übereinander legten, konstruierten die Forscher eine 200 Mikrometer dünne Sensorfolie. Belasteten Lee und seine Kollegen diese Folie mit kleinen Drücken von einigen Kilopascal, änderten sich die elektrischen Eigenschaften der Folie. In weiteren Versuchen hefteten die Forscher die Sensorfolie auf die Fingerspitze eines Probanden. Griff dieser nach einem kleinen Objekt, ließ sich der auf die Fingerspitze wirkende Druck genau messen.

Die Sensorfolie von Insang You von der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Pohang und seinen Kollegen reagierte dagegen hochempfindlich auf Wärme und mechanische Verformungen. In ihren Experimenten ordneten die Forscher zunächst elektrisch leitfähige Elektroden aus Silber auf zwei flexiblen Kunststofffolien an. Zwischen diese Folien legten sie eine fünf Mikrometer dünne Schicht aus einem speziellen Kunststoff, in dem sich einzelne, elektrisch geladene Ionen frei bewegen können. Aufgrund dieser frei beweglichen Ladungsträger änderten sich sowohl bei Wärme als auch bei mechanischer Verformung die physikalischen Eigenschaften des Prototypen. Die Temperatur und die mechanische Verformung ließen sich dadurch unabhängig voneinander mit hoher Genauigkeit messen.

Weitere Versuche zeigten, dass beide Prototypen hunderten Verformungszyklen beziehungsweise Druckbelastungen standhielten. Allerdings müsste die Stabilität für technische Anwendungen noch etwas verbessert werden. Zukünftig ließen sich solche Sensorfolien in der Medizin einsetzen, um etwa die Körpertemperatur von Patienten über längere Zeiträume zu messen. Denkbar wäre aber auch ein Einsatz für Roboter, die dann dank dieser empfindlichen Sensorfolien ähnlich vorsichtig zugreifen könnten wie Menschen. Das wäre etwa für den Umgang mit empfindlichen Bauteilen oder für einen Einsatz in der Chirurgie von Vorteil.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2020/empfindlich-wie-eine-fingerspitze/