Wie sich Tropfen selbst antreiben

Jan Oliver Löfken

Wassertropfen in einem transparenten Glaskanal

Finn Box/University of Oxford

Öl- oder Wassertropfen können sich selbstantreibend – ohne Pumpe oder Schwerkraft – durch schmale Kanäle aus Glas bewegen. Dazu müssen die Kanalwände nur etwas flexibel und mit einer wasserabstoßenden Oberfläche beschichtet sein. Der auf Oberflächenspannung und Druckausgleich beruhende Effekt wurde nun erstmals von Wissenschaftlern entdeckt und analysiert. Nutzen ließe er sich beispielsweise für Laborchips oder selbstreinigende Oberflächen, so das Team in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“. Einziger Haken: Die Tropfen bewegen sich relativ langsam.

Für ihre Experimente bauten Dominic Vella von der University of Oxford und seine Kollegen filigrane Glaskanäle mit einer besonderen Struktur. Zuerst beschichteten sie zwei flexible Glasstreifen mit einer wasserabstoßenden und zugleich ölanziehenden Schicht. An einer Seite klemmten sie die Glasstreifen zusammen. Mit einem weiteren Glasstück spreizten sie die Streifen am anderen Ende auf einige Mikrometer auseinander. In diesen Glaskanal setzten Vella und seine Kollegen zunächst einen Tropfen aus Silikonöl. Wegen der ölanziehenden Beschichtung zerfloss das Öl zu einer ungleichmäßigen Tropfenform – etwas dicker am geschlossenen Kanalende, etwas dünner am offenen Ende. Aufgrund der Oberflächenspannung zog der längliche Tropfen die Glasstreifen etwas zusammen. Um diese Spannung möglichst gering zu halten, bewegte sich der Tropfen mit einer Geschwindigkeit von einigen Hundert Mikrometern pro Sekunde zum offenen Ende des Kanals.

In einem zweiten Versuch beobachteten die Wissenschaftler das Verhalten von Wassertropfen in den Glaskanälen. Da das Wasser von den beschichteten Glasoberflächen abgestoßen wurde, war der Tropfen am geschlossenen Ende etwas dünner als am offenen Ende. Die flexiblen Glasstreifen wurden etwas weiter auseinandergedrückt und der Wassertropfen bewegte sich wie der Öltropfen zum offenen Ende des Kanals. Ursache dafür war der geringe Druck am offenen Ende des Kanals, zu dem der Tropfen drängte.

„Es war überraschend, dass sich beide Tropfenarten in die gleiche Richtung bewegten“, sagt Vella. In weiteren Versuchen wollen die Wissenschaftler die bei der Bewegung der Tropfen wirkenden Kräfte noch etwas genauer untersuchen. Die Forscher halten auch Anwendungen für möglich: Beispielsweise könnte der Effekt in filigranen Laborgeräten, sogenannten Lab-on-Chip-Systemen, genutzt werden. Weiter in der Zukunft wäre ein Transportsystem für flüssige Arzneien vorstellbar, mit dem fein dosierte Mengen in die Körper von Patienten gelangen könnten.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2019/wie-sich-tropfen-selbst-antreiben/