Wenn fleischfressende Pflanzen zuschnappen

Anne-Dorette Ziems

Fleischfressende Pflanze, berührt mit einem Wattestäbchen und mit einem Sensor aus dünner Folie verbunden

Thor Balkhed/Linköping University

Pflanzen besitzen kein Nervensystem wie wir Menschen. Trotzdem durchlaufen elektrische Signale eine Pflanze: als Reaktion auf Berührung oder Stress, wenn sie zum Beispiel von Tieren angeknabbert wird. Anhand der fleischfressenden Venusfliegenfalle haben Forschende nun eine neue Methode entwickelt und erprobt, um diese elektrischen Signale in Pflanzen zu messen. In der Fachzeitschrift „Science Advances“ berichten sie darüber, was in der Venusfliegenfalle passiert, wenn sie zuschnappt.

In allen lebenden Organismen, darunter auch Pflanzen, entstehen elektrische Signale durch Spannungsunterschiede innerhalb und außerhalb von Zellen. Wird ein Mechanismus ausgelöst, fließen Ionen zwischen dem Inneren und Äußeren der Zelle und erzeugen einen elektrischen Impuls, der auch Aktionspotential genannt wird. Dieser wird von Zelle zu Zelle weitergegeben. Der zugrunde liegende Mechanismus der elektrischen Signale ist noch nicht komplett erforscht. In der Venusfliegenfalle hängt das Aktionspotential mit schnellen Bewegungen der Pflanze zusammen. Die Fangblätter der Venusfliegenfalle schnappen zu, wenn etwas eines der sechs kleinen Härchen auf der Innenseite berührt oder anderweitig bewegt – und dieses Zuschnappen lässt sich im Labor gezielt auslösen.

Genau das hat das Team um Adam Armada-Moreira und Abdul Manan Dar von der Universität Linköping getan. Vorher haben sie ein Messgerät an der Pflanze befestigt, das sie aus einem Gerät für neurowissenschaftliche Untersuchungen bei Tieren weiterentwickelt hatten. Damit konnten sie die elektrischen Signale in der Pflanze messen. Im Gegensatz zu bisherigen Experimenten maßen sie nicht nur an einer Stelle, sondern nutzten ein Gitter aus vielen Elektroden. Damit konnten sie nicht nur messen, wie stark das Signal ist, sondern auch wo es herkommt und wohin es sich bewegt.  

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden heraus, dass die Aktionspotentiale in den Härchen starten und sich kreisförmig vom jeweiligen Härchen wegbewegen – ohne eine konkrete Richtung. Außerdem stellten sie fest, dass manchmal auch elektrische Signale an Härchen entstehen, die nicht stimuliert wurden und dass auch Zellen außerhalb der Härchen ein Aktionspotential auslösen und damit die Fangblätter schließen können. Warum das so ist, wissen sie jedoch bisher nicht. Um die Eigenschaften, zugrunde liegenden Mechanismen und Funktionen der elektrischen Signale in Venusfliegenfallen komplett zu entschlüsseln, ist noch weitere Forschung an den Pflanzen nötig.

Mit ihrer neuen Messtechnik gelang es der Forschungsgruppe, Methoden aus der Biomedizin auch in der Pflanzenphysiologie zu nutzen. In Zukunft können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit dieser neuen Messtechnik erforschen, wie Pflanzen auf Stress reagieren. Diese Prozesse zu verstehen ist wichtig, um etwa stressresistente Pflanzen zu entwickeln.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/leben/nachrichten/2023/biophysik-wenn-fleischfressende-pflanzen-zuschnappen/