Kalte Tiefenwasser der Arktis erwärmen sich

Ozeanische Strömungen aus dem Nordatlantik führen zu einer deutlichen Erwärmung der arktischen Tiefsee – eine Gefahr für das Ökosystem rund um den Nordpol?

Jan Oliver Löfken

Eisschollen im Meer, darüber ein blauer Himmel

TT/iStock

Im Zuge des Klimawandels erwärmt sich auch das Meerwasser in der Arktis. An dessen Oberfläche wurde es in den vergangenen vier Jahrzehnten schon um zwei bis vier Grad, regional sogar um bis zu acht Grad Celsius wärmer als der langjährige Mittelwert. Auch die rund null Grad kalten Wasserschichten in bis drei Kilometer Tiefe wärmen sich auf. Die Ursache dafür präsentieren Ozeanologinnen und Ozeanologen nun in einer neuen Studie in der Fachzeitschrift „Science Advances“: Offenbar sind Strömungen aus dem Nordatlantik für die Erwärmung der arktischen Tiefsee verantwortlich.

Für seine Analyse nutzte das Team um Ruizhe Song von der Chinesischen Ozean-Universität in Qingdao umfangreiche Datensammlungen aus der Tiefsee rund um den Nordpol. Sie umfassen die Wassertemperaturen von der Oberfläche bis in einigen Kilometern Tiefe. Die Forschenden entwickelten dann Strömungsmodelle, um die Daten zu erklären.

Warmer statt kalter Zufluss erwärmt Tiefsee

Ihr Ergebnis: Die Temperatur im tiefen Wasser des eurasischen Beckens nördlich von Grönland, Spitzbergen und Sibirien steigt seit den 1990er Jahren durchschnittlich um 0,02 Grad Celsius pro Jahrzehnt. Zwar wusste man, dass der Erdkörper Wärme liefert und dadurch auch die Tiefsee erwärmt – doch der tatsächliche Anstieg ist deutlich stärker als sich dadurch erklären ließe.

Auf der Suche nach der Ursache für diese ungewöhnliche Erwärmung stießen die Forschenden auf Zuflüsse von Tiefenwasser aus dem weiter südlich gelegenen Grönlandbecken. Eigentlich kühlen sie das arktische Wasser, doch die Wassertemperaturen im Grönlandbecken sind im Zuge der Erderwärmung bereits deutlich angestiegen. Dadurch kehrt sich dieser Effekt nun in das Gegenteil um. Einzig das Amerasische Becken zwischen dem Nordpol und der Nordküste Kanadas erwärmt sich mit nur 0,003 Grad Celsius pro Jahrzehnt gering. Das liegt an einem Gebirge am Meeresgrund, dem Lomonossow-Rücken. Er verhindert, dass sich das wärmende atlantische Tiefenwasser bis ins Amerasische Becken ausbreitet.

Kippt das arktische Ökosystem?

Dass der klassische kühlende Effekt des Grönlandbeckens bereits weitgehend ausfällt, könnte nicht nur das Meereis, sondern auch weitere Prozesse im arktischen Ökosystem destabilisieren. So könnte der Arktis ein weiterer Kipppunkt drohen, ab dem unumkehrbare Veränderungen eintreten. Dann könnte das Eis noch schneller schmelzen oder sich die ozeanischen Strömungsprozesse dauerhaft verändern.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2025/klimawandel-kalte-tiefenwasser-der-arktis-erwaermen-sich/