Wie sich der Himalaya bildete

Jan Oliver Löfken

Schneebedecktes Gebirgsmassiv mit zahlreichen Gipfeln, umgeben von Wolken

Hung_Chung_Chih/iStock

Zwischen Indien und China erhebt sich der Himalaya. Mit fast neun Kilometer hohen Gipfeln wie dem Mount Everest ist er das gewaltigste Bergmassiv der Erde. Entstanden ist das Hochgebirge, als vor 40 bis 50 Millionen Jahren zwei Kontinentalplatten zusammenstießen. Jedes Jahrhundert schob sich der indische Subkontinent fünf Meter weiter in die eurasische Landmasse. Dabei falteten sich die Plattenränder auf – ein Prozess, der bis heute anhält und den Himalaya um gut einen Zentimeter pro Jahr wachsen lässt. Nun stellt eine Forschungsgruppe in der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“ neue Analysen über das Gebirge vor. Damit lässt sich genauer erklären, wie sich das Gebirge gebildet hat. Wie das Team berichtet, waren die Ränder der indischen und eurasischen Platte bereits vor der Kollision etwa so hoch wie die Alpen.

Für ihre Forschung analysierten Daniel E. Ibarra von der Brown University in Providence in den USA mit Kolleginnen und Kollegen von der Stanford University und der Chinesischen Universität für Geowissenschaften in Peking Gesteinsproben aus Quarzadern im südlichen Tibet. In mehrtägigen Messungen mit einem präzisen Massenspektrometer bestimmten sie die Verteilung unterschiedlicher stabiler Varianten des Sauerstoffs. Damit konnten sie neben den Isotopen 16O und 18O sogar das seltenere 17O messen, das nur 0,04 Prozent des Sauerstoffvorkommens ausmacht. Bei diesen Isotopen unterscheidet sich jeweils die Anzahl ihrer Neutronen im Kern, weshalb sie unterschiedlich schwer sind.

Isotope verraten die einstige Höhe des Himalaya

Und genau dies machten sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zunutze: Unterschiedlich schwere Sauerstoffisotope eignen sich, um Gebirgshöhen längst vergangener Zeiten zu bestimmen. Denn an den steilen Hängen der Berge steigen Luftmassen in die Höhe. Dort ist es kälter; deshalb kondensiert Feuchtigkeit in den Wolken und es kommt verstärkt zu Niederschlägen. Die Isotope regnen dabei mit ab – allerdings nicht gleichzeitig: Schwerere Sauerstoffisotope fallen schon in geringeren Höhen zu Boden, während leichtere bis in die Gipfelregionen gelangen. Deshalb verteilen sich die Sauerstoffisotope in den Sedimenten auf eine charakteristische Weise, aus der sich auf die Gebirgshöhen früherer Zeiten schließen lässt. Besonders die Analyse des extrem seltenen Isotops 17O zeigte: Die Ränder der indischen und eurasischen Kontinente waren bereits vor der Kollision mehrere Kilometer hoch – im Mittel dreieinhalb.

Damit zeichnet die Studie nicht nur ein neues Bild vom Entstehungsprozess des Himalayas und ergänzt das bisherige Modell, nach dem so hohe Gebirge nur durch Faltungsprozesse entstehen können. Sie liefert auch wichtige Ergebnisse für die Klimaforschung. Denn Gebirgszüge beeinflussten damals wie heute stark das Klima in den umgebenden Regionen. Führen Berghänge zu Regen, entstehen davor feuchte Gebiete mit starker Vegetation. Hinter den Gebirgen herrscht dagegen eher Trockenheit. „Damit könnten bisherige Theorien zum Klima und zur Biodiversität der Vergangenheit neu bewertet werden“, sagt der an der Studie beteiligte Page Chamberlain. Der Geowissenschaftler hält es für möglich, dass ähnliche Studien auch Klimamodelle an anderen Gebirgszügen wie den südamerikanischen Anden verbessern könnten.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2023/geowissenschaften-wie-sich-der-himalaya-bildete/