Wie viele Sterne gibt es?
Rainer Kayser und Redaktion

ESA/NASA
In einer mondlosen Nacht mitten im Winter, in der die Atmosphäre frei von Dunst und Staub ist, und fernab störender Lichtquellen sollten am gesamten Himmel 9110 Sterne mit bloßen Augen sichtbar sein. Diese Zahl lässt sich im „Yale Bright Star Catalogue“ nachlesen – doch in der Praxis zeigen sich beim Blick in den Nachthimmel deutlich weniger Sterne.
Sterne in der Milchstraße
Zunächst einmal ist von jedem Ort auf der Erdoberfläche nur die Hälfte des Himmels zu sehen. Und die besten atmosphärischen Bedingungen herrschen immer nur im Zenit, also direkt über der Beobachterin oder dem Beobachter. Je näher man dem Horizont kommt, umso stärker dämpft die Atmosphäre das Licht der Sterne. So sind schließlich selbst in ländlichen Regionen und bei guter Witterung lediglich etwa tausend Sterne mit bloßen Augen auszumachen. Völlig anders ist die Situation in großen Städten. Hier kommt meist nur ein gutes Dutzend heller Sterne gegen die künstlichen Lichtquellen an.
Es gibt am Himmel allerdings weit mehr Sterne als mit bloßen Augen sichtbar sind. Schon Galileo Galilei erkannte, als er 1909 das neu erfundene Fernrohr gen Himmel richtete, dass die Milchstraße tatsächlich aus einer Vielzahl einzelner Sterne besteht. Je größer das Objektiv eines Fernglases oder Teleskops ist, desto mehr Gestirne werden sichtbar. Ein Fernrohr mit einer Öffnung von sechs Zentimetern zeigt am gesamten Himmel bereits etwa 150 000 Sterne.
Alle diese Sterne gehören zu unserer Heimatgalaxie – dem Milchstraßensystem –, die sich durch astronomische Beobachtungen als große Spiralgalaxie entpuppte. Insgesamt enthält die Milchstraße etwa 200 bis 300 Milliarden Sterne. Die genaue Anzahl ist schwer zu bestimmen, da große Teile der Galaxis hinter Staubwolken verborgen sind. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind hier also auf Modelle und Extrapolationen angewiesen.
Sterne in fernen Galaxien
Spätestens seit den Beobachtungen von Edwin Hubble im Jahr 1920 ist klar, dass es sich bei vielen „Nebelflecken“ am Nachthimmel nicht um Gaswolken in der Milchstraße, sondern um weit entfernte Galaxien handelt. Erst mit modernen Weltraumteleskopen gelang es schließlich, die Anzahl dieser fernen Systeme abzuschätzen – und damit auch, wie viele Sterne im gesamten Kosmos existieren.
Auf Basis der extrem lange belichteten Aufnahmen des Weltraumteleskops Hubble kamen Astronominnen und Astronomen auf 100 bis 200 Milliarden Galaxien. Weitere Beobachtungen zeigten jedoch, dass man bei der ersten Prognose viele leuchtschwache Systeme übersehen hatte. Heute wird die Gesamtzahl der Galaxien im beobachtbaren Universum auf etwa zwei Billionen geschätzt.
Die meisten dieser Galaxien dürften allerdings deutlich kleiner sein als unsere Milchstraße und dementsprechend weniger Sterne beherbergen: Nach aktuellem Stand enthalten Galaxien im Mittel etwa eine Milliarde Sterne. Das ergibt dann also zwei Trilliarden – eine Zwei mit 21 Nullen dahinter – Sterne im gesamten beobachtbaren Kosmos.
Das beobachtbare Universum
Der Kosmos ist vor 13,8 Milliarden Jahren im „Urknall“ entstanden, einem extrem dichten und heißen Anfangszustand. Deshalb können wir auf der Erde nur Strahlung empfangen, die maximal 13,8 Milliarden Jahre zu uns unterwegs war. Dies ist der „kosmologische Horizont“: Objekte, die so weit von uns entfernt sind, dass ihre Strahlung länger als 13,8 Milliarden Jahre zu uns benötigen würde, können wir nicht sehen.
Doch das bedeutet nicht, dass es solche Objekte nicht gibt. Der kosmologische Horizont begrenzt zwar das beobachtbare Universum, aber hinter dem Horizont geht das Universum weiter. Bislang ist unklar, ob das Universum „offen“ – also unendlich groß – oder „geschlossen ist und damit ein endliches Volumen besitzt.
Allerdings ist diese Zahl mit Vorsicht zu genießen und hat streng genommen aus zwei Gründen keine echte physikalische Bedeutung: Zum einen ist der „beobachtbare Kosmos“ nicht identisch mit dem gesamten Kosmos – und wie groß dieser ist, wissen wir nicht. Vielleicht ist das Volumen des gesamten Kosmos endlich, aber vielleicht ist der Kosmos auch unendlich groß – entsprechend wäre es dann auch die Anzahl der Sterne. Und zum anderen berechnet die einfache Multiplikation der Anzahl der Sterne mit der Zahl der Galaxien die Sterne zum jetzigen Zeitpunkt, also im heutigen Kosmos.
Blick in die Vergangenheit
Den heutigen Kosmos sehen Astronominnen und Astronomen allerdings nur in unserer unmittelbaren Umgebung – ansonsten schauen sie in die Vergangenheit des Universums. Denn das Licht ferner Galaxien benötigt viel Zeit, um die Erde zu erreichen: Wenn das Licht einer Galaxie beispielsweise eine Milliarde Jahre zu uns unterwegs ist, dann sehen wir diese Galaxie so, wie sie vor einer Milliarde Jahren aussah. Das bedeutet: Viele Gestirne, deren Licht heute auf die Erde trifft, sind tatsächlich schon längst erloschen.
Berücksichtigt man auch die Entstehung und Entwicklung von Sternen im Verlauf der kosmischen Geschichte, dürften gegenwärtig etwa 80 Trillionen von ihnen beobachtbar sein – unbeschränkte technische Möglichkeiten vorausgesetzt.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/hinter-den-dingen/wie-viele-sterne-gibt-es/