Sterne aus dem jungen Universum

Rainer Kayser

Ansammlung von Sternen im All

NASA Goddard

Mit zwei großen Teleskopen beobachteten Astronomen eine Gruppe aus 56 Sternen, die sich gemeinsam durch die Umgebung unserer Milchstraße bewegen. Dabei zeigte sich, dass es sich um die Überreste eines Kugelsternhaufens aus der Entstehungszeit unserer Galaxis handelt. Denn die Sterne enthalten extrem wenig schwere Elemente – ein Zeichen für ihr hohes Alter –, wie die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“ berichten.

In den Beobachtungsdaten des Satellitenteleskops Gaia stießen Nicolas Martin von der Universität Straßburg in Frankreich und seine Kollegen auf einen Sternstrom – also eine Gruppe von Sternen, die sich gemeinsam durch die Milchstraße bewegt. Daraufhin nahmen die Forscher acht hellere Sterne des Stroms namens C-19 mit dem nördlichen Gemini-Teleskop auf Hawaii und dem Gran Telescopio Canarias auf La Palma genauer unter die Lupe. Aus den Eigenschaften der Sterne – im Wesentlichen ihrer Temperatur und ihrer Leuchtkraft – folgerte das Team, dass es sich bei dem Sternstrom ursprünglich um einen Kugelsternhaufen gehandelt hat, der durch die Gezeitenkräfte der Milchstraße zerrissen worden ist.

Um das Alter des Sternstroms abzuschätzen, untersuchten die Wissenschaftler außerdem die Zusammensetzung der Sterne. Denn kurz nach dem Urknall haben sich zunächst leichte Elemente wie Wasserstoff, Helium und in geringem Maße Lithium gebildet. Alle schwereren Elemente sind erst im Lauf der Zeit durch Kernfusion im Inneren von Sternen entstanden und haben sich schließlich im Gas des Weltalls verteilt. Da aus dem Gas wiederum neue Sterne entstehen, enthalten Sterne von Generation zu Generation einen höheren Anteil an schweren Elementen. „Sterne mit einem geringen Anteil an schweren Elementen sind Fossilien von Strukturen, die sich im jungen Universum gebildet haben“, erläutern Martin und seine Kollegen.

Die nun untersuchten Sterne zeigen allesamt einen sehr geringen Anteil an schweren Elementen, der nur etwa 0,05 Prozent der Häufigkeit in unserer Sonne entspricht. „Es handelt sich damit um den Kugelsternhaufen mit dem geringsten Anteil an schweren Elementen, der je entdeckt worden ist“, so die Forscher. Die Sterne des Sternstroms C-19 müssen sich bereits im jungen Universum gebildet und zu einem Kugelsternhaufen zusammengetan haben, der allerdings irgendwann durch die Gezeitenkräfte der Milchstraße zerrissen wurde. Bislang hatte man derartige Sterne noch nicht in Kugelsternhaufen gefunden und vermutete daher, dass sich im jungen Universum noch keine derartigen Strukturen bilden konnten. Damit erlaubt diese Entdeckung nun einen neuen Blick auf die Entstehung der ersten Strukturen im Kosmos.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2022/sterne-aus-dem-jungen-universum/