Tiefe Einblicke in einen Weißen Zwerg

Rainer Kayser

Grafik zweier runder, weißer Himmelskörper, die miteinander verschmelzen

University of Warwick/Mark Garlick

Ein internationales Forscherteam spürte ein außergewöhnliches Doppelsternsystem auf: Zwei Weiße Zwerge – die Überreste einst sonnenähnlicher Sterne – umkreisen einander und verdecken sich dabei von der Erde aus gesehen regelmäßig gegenseitig. Zudem schwankt die Helligkeit einer der beiden Zwergsterne in regelmäßigen Abständen. Diese seltene Kombination ermöglichte es den Wissenschaftlern, die Masse und Größe eines Weißen Zwergs so genau wie nie zuvor zu bestimmen. Die Ergebnisse liefern wertvolle Hinweise auf den inneren Aufbau dieser Objekte, so das Team im Fachblatt „Nature Astronomy“.

„Etwa 97 Prozent aller Sterne der Milchstraße enden als Weißer Zwerg“, erläutert Steven Parsons von der University of Sheffield in Großbritannien. Besonders interessant für Astronomen sind Doppelsysteme aus zwei Weißen Zwergen, da diese nach Jahrmilliarden miteinander kollidieren und verschmelzen. Was genau nach einem solchen Zusammenstoß passiert – ob das System beispielsweise als Supernova explodiert –, hängt entscheidend vom inneren Aufbau der Zwergsterne ab. Doch darüber wissen Astronomen bislang wenig. Hinweise kann das Verhältnis von Masse und Größe bei diesen Himmelskörpern liefern. Und auch periodische Helligkeitsschwankungen verraten etwas über die innere Struktur. Bislang ist allerdings nur ein einziger Weißer Zwerg bekannt, bei dem sich sowohl Masse und Größe als auch die Pulsation mit hoher Genauigkeit messen lassen. Mit den von Parsons und seinen Kollegen entdeckten Weißen Zwergen kommt nun ein weiteres System dazu. Masse und Größe können hier zudem unabhängig von theoretischen Modellen ermittelt werden. Das mache das System zu einem mächtigen Werkzeug, um den inneren Aufbau eines Weißen Zwergs empirisch zu bestimmen, so die Forscher.

Der pulsierende Weiße Zwerg bringt rund 0,4 Sonnenmassen auf die Waage und hat einen Durchmesser von 30 000 Kilometern. Für einen Weißen Zwerg dieser Masse sagen theoretische Modelle einen Kern aus reinem Helium voraus, umgeben von einer ausgedehnten Hülle aus Wasserstoff. Für diese Variante sei der Stern allerdings um etwa zehn Prozent zu klein, so die Forscher. Das Team um Parsons sieht zwei Möglichkeiten: Entweder der Weiße Zwerg besitze einen Hybridkern aus Helium, Kohlenstoff und Sauerstoff oder der Kern bestehe aus Helium, verfüge aber nur über eine ungewöhnlich dünne Wasserstoffhülle. Prinzipiell sei es möglich, über die Pulsationsperioden des Weißen Zwergs zwischen beiden Modellen zu unterscheiden. Doch dazu reichen die bisherigen Messdaten nicht aus – weitere Beobachtungen sind also notwendig.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2020/tiefe-einblicke-in-einen-weissen-zwerg/