Neutronenstern oder Schwarzes Loch?

Rainer Kayser und Redaktion

Die Grafik zeigt den Pulsar und seinen Begleiter vor dunklem Hintergrund.

Daniëlle Futselaar/artsource.nl

Ein internationales Forschungsteam ist auf einen exotischen Himmelskörper gestoßen, der etwa 40 000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Ein gewöhnlicher Stern scheidet aus, da das Objekt mit der 2,35-fachen Sonnenmasse selbst nicht leuchtet. Infrage käme der Überrest eines explodierten Sterns, allerdings wäre die Masse dafür sehr ungewöhnlich: Entweder hätte man es mit dem bisher massereichsten bekannten Neutronenstern oder aber mit dem bislang masseärmsten Schwarzen Loch zu tun. Im Fachblatt „Science“ schließen die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aber auch nicht aus, dass es sich bei dem Neufund um etwas bisher Unbekanntes handelt.

Das Team um Ewan Barr vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn untersuchte einen Pulsar im Kugelsternhaufen NGC 1851. Ein Pulsar ist ein Neutronenstern mit einem starken Magnetfeld, der durch seine Eigendrehung regelmäßige Radiopulse zur Erde sendet – in diesem Fall 170 Mal pro Sekunde. Mit der Radioteleskopanlage MeerKAT in Südafrika haben die Forscherinnen und Forscher diese Pulse genau vermessen. Die Daten zeigten, dass sich der Pulsar mit der Bezeichnung PSR J0514-4002E in einem engen Doppelsystem befinden muss. Umkreist wird er demnach von einem Objekt mit einer Masse zwischen 2,09 und 2,71 Sonnenmassen.

Spannendes Forschungsobjekt

Der wahrscheinlichste Wert liegt der Analyse zufolge bei 2,35 Sonnenmassen und das macht es schwer, den Himmelskörper zu klassifizieren. Handelt es sich um einen Neutronenstern, in dem die Materie so dicht gepackt ist wie in Atomkernen, oder um ein Schwarzes Loch, bei dem die Gravitation so stark ist, dass nicht einmal Licht entkommen kann? Neutronensterne können, so die Theorie, nicht mehr als das 2,2-Fache der Sonnenmasse in sich vereinen – andernfalls würden sie unter ihrer eigenen Schwerkraft in sich zusammenstürzen und es entstünde ein Schwarzes Loch.

Doch Schwarze Löcher lassen sich im Kosmos erst ab etwa fünf Sonnenmassen beobachten. Dazwischen klafft eine Lücke, die für Astronominnen und Astronomen rätselhaft ist. Lediglich Messdaten von Gravitationswellendetektoren deuten bislang darauf hin, dass sich auch innerhalb dieser Massenlücke vereinzelnd Himmelskörper finden. Was dahinter steckt, ist aber ebenfalls noch unklar. Der neue Fund ist für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daher besonders spannend. „Wenn es ein Schwarzes Loch ist, können wir damit die Gravitationstheorie testen. Wenn es sich um einen Neutronenstern handelt, kann er uns neue Erkenntnisse über die Kernphysik bei sehr großen Dichten liefern,“ erläutert Benjamin Stappers von der University of Manchester in England, der an der Studie mitwirkte.

So oder so vermuten Barr und sein Team eine komplizierte Entstehungsgeschichte für das exotische Objekt. In dem Kugelsternhaufen, in dem es sich befindet, liegen die Sterne nämlich vergleichsweise eng beieinander und kommen sich auf ihren Bahnen häufig nahe. Bei solchen Begegnungen entstehen neue Doppelsysteme, Begleiter werden ausgetauscht und auch Kollisionen sind möglich. Der nun aufgespürte Himmelskörper könnte beispielsweise aus der Verschmelzung zweier kleinerer Neutronensterne hervorgegangen und erst später in die Umlaufbahn des Pulsars gelangt sein.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2024/kompakte-objekte-neutronenstern-oder-schwarzes-loch/