„Eine neue Rekordstrecke“

Kim Hermann

Das Bild zeigt eine Ionenfalle, die sich in einem optischen Resonator befindet.

David Jordan/IQOQI

Die verblüffenden Phänomene der Quantenphysik bieten das Potenzial, viele Bereiche der Technik zu revolutionieren. So wird bereits an der quantenphysikalischen Version des Internets geforscht, um Quantensysteme miteinander zu verbinden. Wie sich Informationen in einem solchen Netzwerk austauschen lassen und welche Herausforderungen es noch gibt, erklärt Josef Schupp vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation und der Universität Innsbruck im Interview mit Welt der Physik.

Welt der Physik: Was versteht man unter dem Quanteninternet?

Josef Schupp: So wie das Internet etwa klassische Computer miteinander vernetzt, verbindet das Quanteninternet verschiedene Quantensysteme miteinander. Diese Quantensysteme können sehr unterschiedlich sein – von einzelnen Atomen über kalte Gase bis hin zu Festkörpern sind viele Systeme denkbar. Das Ziel ist es, ein Netzwerk aus Quantensystemen zu entwickeln, die über das Quanteninternet miteinander kommunizieren können.

Welche Vorteile hat das Quanteninternet gegenüber dem klassischen Internet?

Mit dem Quanteninternet ist zum einen eine vollkommen abhörsichere Nachrichtenübertragung möglich. Jeder Abhörversuch hinterlässt nämlich Spuren im Quantennetzwerk – ein Mithörer macht sich somit sofort bemerkbar. Zum anderen ließen sich Quantenmessgeräte wie etwa Atomuhren miteinander verbinden. GPS-Systeme, die auf der atomaren Zeitmessung beruhen, könnten so noch genauer funktionieren.

Welche Information können die Quantensysteme miteinander austauschen?

Ein Quantennetzwerk kann die gleiche Art von Informationen übertragen wie ein klassisches Netzwerk, nur auf eine andere Art und Weise. Die Speichereinheiten eines Quantennetzwerks sind sogenannte Qubits – die Basiseinheiten der Quanteninformation. Während klassische Bits entweder den Wert Null oder Eins annehmen, kann sich ein Qubit auch in einem Überlagerungszustand aus den beiden Werten befinden. Eine Messung des Qubits würde mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit den Wert Null und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit den Wert Eins ergeben. Diese schwer vorstellbaren Eigenschaften der Quantenphysik eröffnen in der Informationsverarbeitung neue Möglichkeiten, die mit klassischen Systemen undenkbar wären.

Und wie funktioniert der Informationsaustausch zwischen Quantensystemen?

Klassische Bits werden über vergleichsweise starke elektrische oder optische Pulse übertragen. Quanteninformation lässt sich allerdings nicht so übertragen, da die Quanteneigenschaften in klassischen Systemen verloren gehen. Ein Phänomen der Quantenphysik eignet sich allerdings hervorragend für die Verbindung von Quantensystemen – die sogenannte Verschränkung. Zwei miteinander verschränkte Teilchen teilen sich einen gemeinsamen Zustand und lassen sich nicht mehr unabhängig voneinander beschreiben. Verändert man den Zustand des einen Teilchens, verändert sich unmittelbar auch der Zustand des anderen Teilchens – theoretisch über beliebige Entfernungen. Dadurch alleine wird aber noch keine Information übertragen. Dazu ist zusätzlich klassische Kommunikation nötig, weshalb der Informationsaustausch nicht schneller als mit Lichtgeschwindigkeit erfolgen kann.

Forscher vor ihrem Experiment.

Josef Schupp und seine Kollegen vor ihrem Experiment

Ihnen ist nun ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Quanteninternet gelungen. Können Sie das neue Experiment kurz vorstellen?

Unser Quantensystem besteht aus einem Kalziumatom, das wir – mithilfe von Laserpulsen – mit einem Photon verschränkt haben. Dieses Photon haben wir durch ein Glasfaserkabel geschickt. Die Verschränkung ist jedoch sehr fragil und auch das Photon selbst kann auf seinem Weg durch das Glasfaserkabel schnell verloren gehen. Ein optischer Resonator hilft uns dabei, mit sehr hoher Effizienz verschränkte Atom-Photon-Paare zu erzeugen, und ein Kristall verändert die Wellenlänge des Photons so, dass es sehr viel robuster für die Übertragung durch die optische Faser ist. So bewegte sich das Photon letztlich fünfzig Kilometer durch das Glasfaserkabel, ohne die Verschränkung mit dem Kalziumatom zu verlieren. Tatsächlich haben wir damit eine neue Rekordstrecke aufgestellt.

Welche Schritte fehlen noch zu einem Quantennetzwerk?

Mit unserem Experiment haben wir gezeigt, dass Materieteilchen und Lichtteilchen über weite Distanzen hinweg verschränkt bleiben können. Ein Quantennetzwerk soll allerdings mindestens zwei Endsysteme – in unserem Fall zwei Atome – miteinander verbinden. Wir haben bereits eine Idee, wie wir das erreichen können: Mit einem zweiten experimentellen Aufbau erhalten wir ein weiteres Atom, das mit einem Photon verschränkt ist. Über diese Photonen ließe sich dann – durch bestimmte Messungen – eine Verschränkung zwischen den beiden Atomen herstellen. Aktuell arbeiten wir an der Verschränkung zweier Experimente, die sich etwa einen halben Kilometer voneinander in unterschiedlichen Gebäuden befinden. Unser Ziel für die kommenden Jahre ist es, zwei Atome über eine Distanz von hundert Kilometern zu verbinden. In zehn bis zwanzig Jahren sind dann regionale Quantennetzwerke denkbar.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/quantenmechanik-quantentechnik/eine-neue-rekordstrecke/