Verborgene Schriften ans Licht gebracht

Jan Oliver Löfken

Verkohlte Papyrusschnipsel liegen auf einem Tisch

A. Tournié/Centre de Recherche sur la Conservation

Hunderte Papyrusrollen verkohlten nach dem Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79: Damals begrub eine Glutlawine aus Magma und heißer Asche die Städte Pompeji und Herculaneum unter sich – und dabei auch die Bibliothek von Lucius Calpurnius Piso Caesonius, dem Schwiegervater Julius Caesars. Etliche Rollen überstanden die Katastrophe, wenn auch stark verkohlt. Zwar haben bereits viele Forscher die Schriftstücke analysiert. Mit einer neuen Methode gelang es einem Team nun jedoch erstmals, auch bisher verborgene Texte auf den Rückseiten der Papyrusrollen zu entziffern. Ihre Ergebnisse stellten die Wissenschaftler jetzt in der Fachzeitschrift „Science Advances“ vor.

Papyrus war im Altertum ausgesprochen wertvoll. Deshalb war es durchaus üblich, auch die Rückseiten der Rollen zu beschreiben. Erste Analysen gegen Ende des 18. Jahrhunderts widmeten sich aber vor allem den Vorderseiten – dazu klebten die Forscher die fragilen Papyrusreste auf eine Unterlage aus Papier. Die Rückseiten wurden damit unlesbar. Aurélie Tournié vom Naturkundemuseum in Paris und ihre Kollegen setzten nun Infrarotlicht in einem Wellenlängenbereich zwischen 970 und 2500 Nanometern ein, um einige der fixierten Schriften erneut zu untersuchen. Auf den Vorderseiten dieser Dokumente fanden sich Berichte über Platon, verfasst vom antiken Philosophen Philodemus.

Die antike Tinte reflektiert die infrarote Strahlung stark, das umgebende Papyrus dagegen schwächer. Mit einem empfindlichen Infrarotsensor fing das Team um Tournié das zurückgeworfene Licht auf und konnte den antiken Text so Wort für Wort rekonstruieren. Während sich die Schrift auf der Vorderseite in den Reflexionsspektren sehr deutlich erkennen ließ, erzeugten die Tintenspuren auf der Rückseite nur ein schwaches Signal – und waren nur an manchen Stellen zu entziffern. In ihren ersten Analysen machten die Forscher immerhin 150 bisher unerkannte Wörter sichtbar und entdeckten so auch auf den Rückseiten einzelne Fragmente altgriechischer Texte. Die Schrift auf den Vorderseiten war hingegen so deutlich zu lesen, dass die Wissenschaftler sogar einige Fehler in bisherigen Abschriften korrigieren konnten. Das von ihnen eingesetzte hyperspektrale Bildgebungsverfahren dürfte sich damit auch für die schonende Analyse weiterer Schriftstücke anbieten.

Die meisten Papyrusrollen aus Hercaluneum sind bis heute noch nicht ausgerollt worden. Da das verkohlte Material sehr brüchig ist, besteht ein hohes Risiko, die Schriftstücke beim Entrollen zu zerstören. Doch auch hier arbeiten Forscher bereits an Methoden, um die verborgenen Schriftzeichen sichtbar zu machen. Eine Gruppe lenkte vor vier Jahren beispielsweise einen intensiven Röntgenstrahl auf eine Papyrusrolle und analysierte anschließend das gestreute Licht. Da sich das Signal unterschied – je nachdem, ob das Röntgenlicht auf Tinte oder auf einen unbeschriebenen Abschnitt auftraf –, ließen sich auch mit diesem Röntgenverfahren antike Texte entziffern.


ESRF/CNR-NANOTEC

Die Röntgentomografie erlaubt einen Blick in noch nicht ausgerollte Papyrusrollen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2019/verborgene-schriften-ans-licht-gebracht/