„Neutronenstrahlung ist ein unverzichtbares Werkzeug“

Dirk Eidemüller

Das Bild zeigt viele Akkus in Stabform, die direkt nebeneinander in fünf Reihen stehen.

Eckert/Heddergott/TUM

Um Energie in Zukunft noch effizienter zu speichern, versuchen Forscher, die Leistungsfähigkeit von Akkus immer weiter zu optimieren. Dafür ist es unter anderem wichtig, die komplexen Vorgänge während des Auf- und Entladens im Detail zu verstehen. Wie sich der Ladevorgang von Hochleistungsakkus mithilfe von Neutronenstrahlung und hochbrillanter Röntgenstrahlung im Betrieb untersuchen lässt, erklärt Anatoliy Senyshyn von der Technischen Universität München im Interview mit Welt der Physik.

Welt der Physik: Was sind die gängigsten Arten von Akkus?

Porträt des Wissenschaftlers Anatoliy Senyshyn, der an einem Gerät arbeitet

Anatoliy Senyshyn

Anatoliy Senyshyn: Seit einigen Jahren haben sich vor allem sogenannte Lithium-Ionen-Akkus durchgesetzt. Sie sind leicht und zugleich leistungsfähig, da sie eine hervorragende Energiedichte besitzen, also viel Energie in einem kleinen Akku speichern können. Es gibt aber viele unterschiedliche Typen an Akkus, die je nach Anforderung eingesetzt werden: Manche haben eine hohe Kapazität, liefern aber keine hohen Ströme. Dies sind typischerweise Akkus, wie sie in Mobiltelefonen eingesetzt werden. Es dauert eine gewisse Zeit, bis sie aufgeladen sind, aber dafür speichern sie Strom für eine lange Betriebsdauer. Sogenannte Hochleistungsakkus hingegen haben eine deutlich geringere Kapazität und halten dementsprechend kürzer durch. Dafür lassen sie sich wesentlich schneller aufladen und liefern auch höhere Ströme. In unseren jüngsten Versuchen haben wir Hochleistungsakkus untersucht.

Wofür werden solche Hochleistungsakkus eingesetzt?

Solche Akkus werden unter anderem in Modellflugzeugen oder -autos eingesetzt. Sie sind aber auch für die Automobilindustrie von Bedeutung, wenn etwa bei einem Beschleunigungsvorgang hohe Ströme bereitgestellt werden müssen, oder wenn beim Abbremsen Energie zurückgewonnen werden soll. Die von uns untersuchten Akkus nutzen Lithium-Eisen-Phosphat, das ist ein gängiges Material für Hochleistungsakkus. Solche Akkus lassen sich in rund zwölf Minuten voll aufladen, haben aber nur ein Drittel der Kapazität von Handyakkus.

Was war das Ziel Ihrer Versuche?

Wir möchten die heutigen Modelle von Akkus noch weiter verbessern. Doch für alle Akkus gilt: Sie sind bereits das Produkt einer jahrzehntelangen Entwicklung und dementsprechend komplex. Es ist also immer ein schwieriges Unterfangen, sie weiter zu optimieren. Denn wenn man eine Eigenschaft verbessert, verschlechtert man unter Umständen eine andere. Wir haben nun zerstörungsfreie Untersuchungsverfahren entwickelt, die genauere und tiefere Einblicke in die Akkus ermöglichen – und zwar während des Betriebs.

Mit welchen Verfahren haben Sie gearbeitet?

Wir haben die Akkus im Betrieb – also beim Aufladen und Entladen – mit mehreren Verfahren durchleuchtet. Dabei haben wir sowohl Neutronen- als auch Röntgenstrahlung genutzt und uns die sogenannten Beugungsmuster angeschaut. Diese werden erzeugt, wenn die durch das Material tretende Strahlung auf charakteristische Weise abgelenkt wird. Über eine aufwendige und datenintensive Analyse können wir daraus Informationen über die Struktur des Materials gewinnen und insbesondere über die strukturellen Veränderungen beim Auf- und Entladen. Beide Arten von Strahlung – Neutronen- und Röntgenstrahlung – haben dabei jeweils ihre Vor- und Nachteile. Indem wir die Ergebnisse miteinander abgleichen und kombinieren, erhalten wir ein gutes Verständnis davon, was beim Betrieb solcher Akkus passiert.

Welche Vorteile hat die Neutronen- und welche die Röntgenstrahlung?

Das Bild zeigt einen Akku in Stabform, auf den zwei helle Strahlen treffen und den Querschnitt sichtbar machen.

Hochleistungsakkus im Betrieb beobachten

Vor allem bei den leichten Elementen wie Wasserstoff und Lithium liefert Neutronenstrahlung einen sehr viel besseren Kontrast als Röntgenstrahlung. Gerade für Anwendungen bei erneuerbaren Energien wie etwa wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen, Wasserstoff-Speichermedien oder eben bei Lithium-Ionen-Akkus ist Neutronenstrahlung deshalb ein unverzichtbares Werkzeug. Die räumliche Auflösung ist allerdings nicht ganz so scharf wie bei Analysen mit Röntgenstrahlung und lag bei unseren Versuchen an der Neutronenquelle FRM II in Garching bei München etwa im Millimeterbereich. Wir haben deshalb auch Versuche mit hochbrillanter Synchrotron-Röntgenstrahlung gemacht. Hiermit konnten wir eine Auflösung von rund 30 Mikrometern erzielen, also ein etwa hundertfach schärferes Bild. Da viele Strukturen von Akkus – also etwa die Separatorfolie zwischen Kathode und Anode – im Submillimeterbereich liegen, ist diese räumliche Auflösung wichtig, um die Neutronenmessungen zu ergänzen.

Was haben Sie mithilfe der neuen Verfahren herausgefunden?

Wir haben verschiedene Teile des Akkus untersucht und das dann zu einem Bild zusammengesetzt. Dabei haben wir eine ungleichmäßige Verteilung der Lithium-Ionen feststellen können. Solche Inhomogenitäten behindern den Austausch der Ionen zwischen Kathode und Anode und verringern dadurch die Leistungsfähigkeit. Durch eine genaue Analyse, wann und wo diese Prozesse stattfinden, können Ingenieure solche Effekte dann versuchen zu verringern.

Solche Verfahren sind vermutlich auch für die Industrie sehr interessant, oder?

Wir haben bereits Anfragen von Industriepartnern, für die diese Art der Analyse wichtige Erkenntnisse bringen kann. Angesichts der wachsenden Bedeutung von erneuerbaren Energien oder Elektromobilität werden derartige zerstörungsfreie Durchleuchtungsmethoden bestimmt auch in Zukunft immer wichtiger werden. Dazu wollen wir unsere Methoden weiter optimieren, um eine schnellere Auswertung möglich zu machen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/energiespeicher-neutronenstrahlung-ist-ein-unverzichtbares-werkzeug/