Wie Zugvögel ihre Brutplätze finden

Jan Oliver Löfken

Ein Vogel in seinem Nest

Michel VIARD/iStock

Störche, Drosseln oder Rotkehlchen – abertausende Zugvögel überwintern jedes Jahr in Afrika südlich der Sahara. Mit einsetzendem Frühling machen sie sich auf den langen Weg zu ihren Brutgebieten in Europa und finden oft bis auf wenige Meter genau ihren im Vorjahr verlassenen Brutplatz. Entscheidend für diese verblüffend gute Orientierung ist wahrscheinlich die Ausrichtung des Magnetfeldes am Brutplatz, wie eine Gruppe von Ornithologen in der Fachzeitschrift „Science“ berichtet.

Für ihre Studie werteten Tim Guilford von der Oxford University und seine Kollegen die Daten von knapp 18 000 Teichrohrsängern aus, die über mehrere Jahrzehnte gesammelt worden waren. Diese zeigen, wie oft und wie genau es den Singvögeln gelang, nach dem Überwintern in Afrika wieder zu ihren Brutgebieten in Europa zurückzukehren. Parallel dazu analysierten sie das Erdmagnetfeld für die verschiedenen Gebiete in weiten Teilen Europas.

Dabei beachteten die Forscher nicht nur die Stärke, sondern auch die Ausrichtung des Magnetfelds: Denn während die Magnetfeldlinien am Äquator nahezu parallel zur Erdoberfläche verlaufen, stehen sie an den Polen des Erdmagnetfeldes senkrecht zur Erdoberfläche. Und auch anderswo variiert diese Neigung des Magnetfeldes – die sogenannte Inklination – von Ort zu Ort. Darüber hinaus ist das Magnetfeld der Erde nicht statisch, sondern verschiebt sich von Jahr zu Jahr leicht. Daher untersuchten die Forscher, ob sich parallel zum Magnetfeld auch der Brutplatz der Vögel veränderte. So wollten sie ermitteln, an welchen Eigenschaften des Magnetfeldes sich die Vögel genau orientieren.

Ihre Analyse legt nun nahe, dass die Inklination in Kombination mit der allgemeinen Süd-Nord-Peilung auf der Flugroute den Vögeln die beste Orientierung gab. Denn indem sie die Inklination betrachteten, konnten die Forscher mit einer statistischen Abweichung von nur 1,2 Kilometern den Brutplatz der Vögel vorhersagen. Die Varianten mit anderen Parametern des Magnetfelds lieferten deutlich größere Abweichungen zwischen 20 und 235 Kilometern. Daher gehen die Forscher davon aus, dass die lokal typische Inklination, die sich die Vögel seit ihrer Geburt gemerkt hatten, auf ihrer Route gewissermaßen als Stoppschild diente und so das Ziel aufzeigte.

Diese Studie liefert gute Hinweise, dass Teichrohrsänger ihren Brutplatz über die gemerkte Inklination des Erdmagnetfelds wiederfinden. Ein Beweis ist es allerdings noch nicht. Für diesen könnten nun weitere Analysen von anderen Zugvögeln folgen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/leben/nachrichten/2022/wie-zugvoegel-ihre-brutplaetze-finden/