Erderwärmung dauerhaft über 1,5 Grad?

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Im Jahr 2024 lag die mittlere Temperatur erstmals 1,55 Grad über dem vorindustriellen Niveau – das ist früher als erwartet. Forschende sind eigentlich davon ausgegangen, dass die 1,5-Grad-Schwelle erst in etwa fünf Jahren überschritten wird. Fraglich ist nun, ob die im vergangenen Jahr gemessene Erderwärmung einen einmaligen Ausreißer darstellt oder ob ab jetzt jedes Jahr der im Pariser Klimaabkommen festgelegte Grenzwert gerissen wird. In zwei Veröffentlichungen in der Fachzeitschrift „Nature Climate Change“ schätzen Forschende nun ab, ob 2024 tatsächlich als das erste Jahr einer dauerhaften Erderwärmung über 1,5 Grad gelten wird.
Um den gemessenen Temperaturanstieg besser zu beurteilen, nutzen Forscherinnen und Forscher zum einen Klimamodelle. Mithilfe der Modelle analysieren sie, wie sich die Atmosphäre in den kommenden Jahren unter Beachtung verschiedener Möglichkeiten der CO2-Minderung aufheizen wird. Zum anderen liegen den Klimaforschenden verlässliche Messdaten der mittleren Erderwärmung aus den vergangenen Jahrzehnten vor. Mit diesen Daten lässt sich sowohl die Zuverlässigkeit früherer Prognosen überprüfen, als auch die Genauigkeit der Vorhersagen für die Zukunft verfeinern.
Auf dieser Grundlage kamen Emanuele Bevacque vom Umweltforschungszentrum UFZ in Leipzig und sein Team zu einem klaren Ergebnis: Bleiben die CO2-Emissionen auf dem derzeitigen Niveau, wird die Erderwärmung auch in allen Folgejahren mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 99 Prozent die 1,5-Grad-Schwelle überschreiten. Sollten alle angekündigten Maßnahmen zur Minderung der CO2-Emissionen tatsächlich umgesetzt werden, liegt die Wahrscheinlichkeit für eine anhaltende Erderwärmung über 1,5 Grad allerdings immer noch bei etwa 75 Prozent. Diese Prognosen stützen die Forschenden mit einer weiteren Analyse von Messdaten des Klimas der letzten Jahre. Es zeigt sich, dass alle Jahre, in denen die Erderwärmung frühere Schwellen zwischen 0,7 bis 1,4 Grad erstmals überschritten hatte, keine einmaligen Abweichungen nach oben waren. Die globalen Durchschnittstemperaturen lagen in den jeweiligen Folgejahren immer mindestens auf dem gleichen Erwärmungsniveau oder sogar darüber.
Weiteres Indiz für eine dauerhafte Erwärmung über 1,5 Grad
Eine etwas andere Herangehensweise für die Analyse wählte Alex Cannon von der University of British Columbia in Kanada. Er betrachtete Messdaten, die im Zeitraum zwischen Juli 2023 und Juni 2024 aufgenommen wurden. In allen zwölf Monaten lag die gemessene Erderwärmung mindestens bei 1,5 Grad, erst im Juli 2024 lag der Wert wieder geringfügig darunter. Diese Häufung von zu warmen Monaten lieferte ein weiteres Indiz dafür, dass die Erderwärmung von nun an dauerhaft über 1,5 Grad liegen wird. Cannon bewertete dabei auch den Sondereffekt des Klimaphänomens El Niño, das im vergangenen Jahr zusätzlich die Erderwärmung beeinflusste. Doch auch, wenn man den El Niño-Effekt abzieht, bleibt die Erderwärmung mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 80 Prozent zukünftig oberhalb von 1,5 Grad.
Im Pariser Klimaabkommen wurde festgelegt, dass die Erderwärmung über einen Zeitraum von 20 Jahren durchschnittlich oberhalb von 1,5 Grad liegen muss, damit die 1,5-Grad-Schwelle offiziell als überschritten gilt. Dadurch soll der Einfluss natürlicher Schwankungen – verursacht etwa durch El Niño – mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Damit ist die Bedeutung der neuen Analysen nicht zu unterschätzen. Denn sie legen sehr nahe, dass 2024 tatsächlich das erste Jahr einer dauerhaften Erderwärmung von mehr als 1,5 Grad darstellt.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2025/klimawandel-erderwaermung-dauerhaft-ueber-15-grad/