Warum klappen Regenschirme bei starkem Wind um?

Sven Titz

Mann hält einen umgeklappten Regenschirm

Weht der Wind zu stark, klappt der Regenschirm nach oben um. Die Ursache ist ein Prinzip der Strömungsmechanik: Der Wind erzeugt einen starken Aufwärtssog. Ähnliche Effekte sind auch in anderen Bereichen des Alltags zu beobachten.

Ein Blick aus dem Fenster: Es gießt in Strömen. Man nimmt also den Regenschirm mit. Der tut seinen Dienst und hält einen trocken – bis ein kräftiger Windstoß kommt. Prompt klappt der Regenschirm nach oben um. Dass der Schirm umklappt, liegt nicht – oder nur zu einem Teil – daran, dass der Wind von unten in den Schirm fegen würde. Vielmehr lässt ein physikalischer Effekt den Schirm aus der Form geraten. Dieser Effekt beruht auf einem Gesetz der Strömungsmechanik.

Schematische Darstellung, wie Luft einen Regenschirm umströmt

Wie Luft einen Regenschirm umströmt

Angenommen man hält seinen Schirm vollkommen senkrecht und der Wind weht exakt horizontal. In diesem idealisierten Fall umströmt die Luft den Schirm auf eine ganz bestimmte Weise: Durch die gewölbte Oberfläche bewegen sich die Luftteilchen direkt über dem Schirm schneller als davor oder dahinter. Die Luft beschleunigt also über dem Schirm und es entsteht dort ein Sog nach oben. Hält man den Griff des Schirms nun ganz fest und gibt der Kraft des Aufwärtssoges nicht nach, reagiert der Schirm selbst: Die Speichen geben nach – der Schirm klappt um. Den zugrunde liegenden Mechanismus erklärt das Bernoullische Gesetz (siehe Kasten unten).

Der Effekt, der den Schirm umklappen lässt, begegnet uns auch an vielen anderen Stellen des Alltags. Zum Beispiel hängt die gebogene Flugbahn von rotierenden Bällen – ob Fußball, Baseball oder Tennisball – mit dem Bernoullischen Gesetz zusammen. Beim Campen ist der Effekt ebenfalls zu beachten: Streicht der Wind über ein Kuppelzelt, wölbt sich dessen Hülle nach außen. Am bekanntesten dürfte aber der Auftrieb sein, den die Flügel eines Flugzeugs erfahren. Nur deshalb können die Maschinen überhaupt abheben. Die Rotorblätter von Hubschraubern weisen aus dem gleichen Grund eine Wölbung auf der Oberseite auf. Anders als bei Flugzeugen und Hubschraubern ist der Aufwärtssog bei Regenschirmen generell unerwünscht.

 

Das Gesetz von Bernoulli

In idealisierten Flüssigkeiten und Gasen, in denen keine Reibung auftritt, bleibt die Summe aus Staudruck, statischem Druck und Schweredruck immer konstant – so lautet das Gesetz von Bernoulli.

Der Staudruck ist der durch die Geschwindigkeit einer Flüssigkeit oder eines Gases entstehende Druck, wenn die Flüssigkeit oder das Gas von einem Gegenstand aufgestaut wird. Diesen Druck spürt man zum Beispiel, wenn man mit den Füßen in einen strömenden Bach steigt oder wenn man die Hand aus dem Fenster eines fahrenden Autos streckt.

Der statische Druck ist ein allseitiger Druck, der von der Teilchenbewegung in Flüssigkeiten oder Gasen hervorgerufen wird. Er nimmt zu, wenn die Temperatur ansteigt. Denn die Temperatur ist ein Maß für die durchschnittliche Geschwindigkeit der Teilchen, aus denen sich eine Flüssigkeit oder ein Gas zusammensetzt.

Der Schweredruck entsteht durch die Gravitationskraft desjenigen Teils einer Flüssigkeit oder eines Gases, der sich über dem Punkt befindet, an welchem der Druck gemessen wird. Der Luftdruck ist zum Beispiel der Schweredruck der Luftsäule über unseren Köpfen.

Wie die verschiedenen Drücke in strömenden Flüssigkeiten und Gasen zusammenhängen, erkannte und formulierte erstmals der Schweizer Physiker Daniel Bernoulli im 18. Jahrhundert – ausgehend von der Energieerhaltung der Newtonschen Mechanik.

\(\frac{1}{2}\rho v^2+p_{s}+p_{g}=const.\)

wobei \(\rho\) die Dichte und \(v\) die Geschwindigkeit der Flüssigkeit oder des Gases ist, \(p_{s}\) der statische Druck und \(p_{g}\) der Schweredruck. Im Fall des Regenschirms lässt sich die Gleichung vereinfachen, weil die Luft horizontal strömt. Dadurch ist der Schweredruck überall nahezu gleich groß. Die anderen beiden Drücke aber verändern sich auf dem Weg der Luftteilchen. Über dem Regenschirm ist der Staudruck wegen der höheren Geschwindigkeit größer als davor oder dahinter – und damit ist der statische Druck entsprechend kleiner. Diese Druckminderung entspricht dem Sog, den man verspürt, wenn der Wind über den Regenschirm weht und ihn schließlich umklappen lässt.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/hinter-den-dingen/warum-klappen-regenschirme-bei-starkem-wind-um/