Neue Impulse für Medikamente

Jana Harlos

Weltweit sind Wissenschaftler auf der Suche nach geeigneten Wirkstoffen gegen Infektionskrankheiten. Wichtige Hinweise liefern Strukturanalysen der zugrunde liegenden Viren mithilfe von Röntgenlasern. Um bestimmte Virusproteine gezielt untersuchen und so deren Wirkweise besser verstehen zu können, fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Verbundforschung derzeit das Projekt VISAVIX. Welche neuen Methoden die beteiligten Wissenschaftler dafür entwickelt haben und wann die ersten Experimente durchgeführt werden, erklärt Charlotte Uetrecht vom Heinrich-Pette-Institut in Hamburg im Interview.

Welche biologischen Proben wollen Sie in Ihren Experimenten untersuchen?

Wir interessieren uns für Virushüllen und möchten insbesondere untersuchen, wie diese Hüllen aufgebaut sind. Denn nur wenn sich diese Hülle bildet – ausgelöst durch eine spezielle Reaktion der Virusproteine –, kann der Virus andere Organismen infizieren. Mit unseren geplanten Experimenten wollen wir deswegen die Mechanismen und Strukturänderungen des Virus verstehen, um diese dann im Idealfall unterbinden zu können.

Eine kugelförmige Virushülle, deren Oberfläche mit vielen Fortsätzen bedeckt ist.

Virushülle

Wie gehen Sie dabei vor?

Wir möchten am European XFEL sogenannte Beugungsmuster der selektierten Virenproteine aufnehmen. Trifft die Röntgenstrahlung des Freie-Elektronen-Lasers auf die Proteine, wird sie auf eine charakteristische Weise gestreut. Anhand der resultierenden Beugungsmuster können wir dann am Computer auf die ursprüngliche Struktur der Proteine zurückschließen.

Warum werden die Experimente am European XFEL durchgeführt?

Aufgrund der geringen Größe eines einzelnen Virusproteins braucht man sehr intensive Röntgenstrahlung, um ein Beugungsmuster davon aufzunehmen. Die benötigte Intensität findet man nur am European XFEL. Zudem liefert der Röntgenlaser extrem kurze Röntgenpulse, wodurch wir überhaupt erst Informationen über die ursprüngliche Struktur einzelner Viruspartikel erhalten können. Denn normalerweise würde die intensive Strahlung die untersuchten Partikel nach kurzer Zeit zerstören. Damit ist der European XFEL die einzige Einrichtung, an der solche Abbildungen von Einzelpartikeln im Röntgenbereich überhaupt möglich sind.

Wie läuft eine solche Messung ab?

Zunächst wird die Probe in eine sogenannte Interaktionsregion gebracht. Dort trifft der Laserstrahl auf die Partikel in der Probe und wird auf eine charakteristische Weise gestreut. Das resultierende Beugungsmuster wird dann mit einem Detektor aufgenommen. Das Problem ist nun, dass die Proben häufig ein Gemisch aus vielen verschiedenen biologischen Partikeln enthalten. Da wir aber nur eine bestimmte Sorte untersuchten wollen, bauen wir momentan im Rahmen des Verbundprojekts VISAVIX ein spezielles Massenspektrometer.

Das Bild zeigt den experimentellen Aufbau: Mehrere Röhren verlaufen zwischen zwei Metallscheiben. Von oberhalb kommen zwei Schläuche zum Experiment.

Interaktionsregion

Was ist ein Massenspektrometer?

Im Prinzip ist ein Massenspektrometer eine Vakuumkammer, in der ionisierte Partikel – also elektrisch geladene Teilchen – mithilfe einer angelegten Spannung sortiert werden: Abhängig von ihrem Verhältnis von Masse und Ladung bewegen sich die Teilchen im Spektrometer mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Eigentlich nutzt man dieses Verfahren, um die Masse eines bestimmten Partikels zu bestimmen. Aber in unserem Fall wollen wir das Massenspektrometer vorrangig für die Probenzufuhr in die Interaktionsregion nutzen. Damit wissen wir genau, dass alle Daten die man von einer Probe aufnimmt, von den gewünschten Partikeln stammen. Auf diese Weise verringern wir nicht nur die benötigte Probenmenge, sondern müssen die aufgenommenen Daten auch nicht mehr so lange nachsortieren.

Was tragen die einzelnen Verbundpartner zu dem Projekt bei?

Wir vom Heinrich-Pette-Institut sind hauptverantwortlich für den Bau des Massenspektrometers zuständig. Wir haben bereits viel Erfahrung mit der Massenspektrometrie von Proteinkomplexen. Wissenschaftler der Universität Greifswald unterstützen uns beim Bau des Instruments und liefern wichtige Komponenten. Gemeinsam mit Wissenschaftlern vom European XFEL werden wir das Massenspektrometer dann installieren.

Auf dem Bild ist eine Forscherin zu sehen, die an einem Teilexperiment arbeitet. Das Experiement befindet sich in einer Metallbox.

Experiment am European XFEL

Wann beginnen die Experimente am European XFEL?

Momentan testen wir das Massenspektrometer noch an der Synchrotronstrahlungsquelle PETRA III am Forschungszentrum DESY in Hamburg. Wir sind sehr zuversichtlich, dass die ersten Tests am European XFEL bereits im Frühjahr 2019 stattfinden können. Zuerst werden wir dann Experimente mit bekannten Proben durchführen und so überprüfen, ob das Massenspektrometer funktioniert wie es soll – es die Probe also beispielsweise nicht verändert. Sobald wir das erfolgreich getestet haben, werden wir unbekannte Proben untersuchen.


Informationen zu diesem Projekt

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert dieses Projekt im Zeitraum von Juli 2016 bis Juni 2019 mit rund einer Million Euro.

Fördersumme: 1 026 004 Euro

Förderzeitraum: 01.07.2016 bis 30.06.2019

Förderkennzeichen: 05K16BH1, 05K16HG1

Beteiligte Institutionen: Heinrich-Pette-Institut, Universität Greifswald, European XFEL

Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/bmbf/erforschung-kondensierter-materie/neue-impulse-fuer-medikamente/