Ein Biolabor für den European XFEL

Franziska Konitzer

Der European XFEL soll 2017 mit dem wissenschaftlichen Betrieb beginnen. Hier verbindet Techniker zwei Beschleunigermodule im Tunnel.

Der European XFEL wird die brillanteste Röntgenlichtquelle der Welt sein. Nach seiner Inbetriebnahme im Jahr 2017 wollen Wissenschaftler damit tiefe Einblicke in die Struktur und den Aufbau von Materie gewinnen – unter anderem auch von lebenden Zellen und Biomolekülen. Um solche biologische Proben für die Analyse am XFEL aufzubereiten, bauen Wissenschaftler der Universität Hamburg im Verbund des XBI Konsortiums derzeit das XBI-Labor auf. Gefördert wird dieses Verbundprojekt vom BMBF.

Die Spannung steigt. 2017 soll der weltweit leistungsfähigste Freie-Elektronen-Laser European XFEL in Betrieb gehen. Seit 2009 wurde er in einem 3,4 Kilometer langen Tunnel gebaut, der vom Gelände des Forschungszentrums DESY in Hamburg bis nach Schenefeld in Schleswig-Holstein reicht, wo sich eine unterirdische Experimentierhalle befindet.

Im Tunnel des European XFEL werden Elektronen bis auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und schließlich durch Magnete auf einen Slalomkurs gebracht, wodurch die Elektronen Röntgenlicht aussenden. Auf diese Weise lässt sich im European XFEL eine extrem schnelle Abfolge von Röntgenblitzen erzeugen, die jeweils nur eine billiardstel Sekunde andauern. Diese ultrakurzen Röntgenpulse können Materie nicht nur durchleuchten – ihre schnelle Abfolge erlaubt es Wissenschaftlern darüber hinaus, die Bewegungen der Bestandteile zu filmen.

Der 3,4 Kilometer lange Tunnel des European XFEL reicht vom DESY-Gelände in Hamburg bis zur unterirdischen Experimentierhalle in Schenefeld. Die Bildmontage zeigt das Ende des Tunnels, der in den verschiedenen Räumen der unterirdischen Experimentierhallen mündet.

Bildmontage der unterirdischen Experimentierhalle am European XFEL

Diese Eigenschaft macht den European XFEL auch für biologische Proben sehr interessant, wie Christian Betzel von der Universität Hamburg erklärt: „Normale Röntgenstrahlung liefert in der Regel ein statisches Bild. Aus solchen Bildern konnten wir in den letzten vierzig Jahren schon viel lernen, da die Struktur eines Proteins seine Funktion bestimmt. Wenn ich weiß, wie ein Biomolekül in drei Dimensionen aussieht, dann weiß ich auch, wie es funktioniert.“

Allerdings wird die Funktionsweise eines Proteins auch durch dynamische Prozesse bestimmt. „Wir wissen, dass Proteine bestimmte Konfigurationsänderungen durchlaufen“, sagt Betzel. „Beispielsweise müssen sie ihre Struktur bei der Erkennung von Substraten flexibel anpassen und sich bewegen, um Teilchen zu transportieren. Diese Bewegungsabläufe wollen wir verstehen, beispielsweise um die Effektivität von Enzymen in Anwendungsbereichen der Biotechnologie zu verbessen oder beim Wirkstoffdesign von Arzneimitteln.“

Neben der Möglichkeit, Abläufe in biologischen Proben zu verfolgen, bringt der European XFEL noch einen weiteren Vorteil: „Wir können wesentlich kleinere Probenmengen untersuchen, als es bislang möglich war, da die Strahlung so intensiv ist“, sagt Betzel. Während die energiereiche Strahlung bisheriger Röntgenlaser die untersuchten Zellen beschädigte, bevor eine Aufnahme gelang, erlaubt der European XFEL erstmals auch Einblicke in lebende Zellen – und das auf Größenskalen von weniger als einem milliardstel Meter. Denn die Röntgenblitze sind hier schnell genug, um Bilder der Zellen zu liefern, bevor diese zerstört werden.

„Für die Herstellung und Vorbereitung biologischer Proben vor den Messungen braucht man eine sehr gute Laborinfrastruktur“, sagt Betzel. Diese Infrastruktur soll das XBI-Labor bieten, dessen Aufbau vom BMBF gefördert wird. Neben Christian Betzel und seinem Team von der Universität Hamburg und des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf sind in einer internationalen Kooperation auch Wissenschaftler von der schwedischen Universität Uppsala, der Arizona State Universität, USA, des Europäischen Labors für Molekularbiologie, der Universität Oulu, Finnland, und der Slowakei beteiligt.

„Die Strahlzeit am European XFEL ist kostbar, deshalb müssen wir biologischen Proben zügig vorbereiten“, so Betzel. „Die Infrastruktur des XBI werden Nutzer aus aller Welt mit den unterschiedlichsten Proben nutzen, die alle ihre eigenen Vorgehensweisen haben, um diese aufzubereiten.“

Weitwinkelfoto der unterirdischen Experimentierhalle am European XFEL in Schenefeld.

Die Experimentierhalle am European XFEL

Zu den Proben gehören insbesondere Biomoleküle – doch damit diese im Röntgenlicht ihre Struktur zu atomarer Auflösung preisgeben, müssen sie in kristalliner Form vorliegen. Erst die regelmäßige Anordnung eines Kristalls erzeugt die charakteristischen Beugungsmuster, aus der die Wissenschaftler auf die genaue Struktur der Moleküle zurückschließen können. „Allerdings ist die Kristallisation von Biomolekülen nach wie vor eine Kunst“, sagt Betzel.

Das XBI-Labor wird die Herstellung derartiger Nanokristalle unterstützen, etwa durch Geräte, die vorhersagen können, wie gut ein Biomolekül kristallisieren wird. Dabei werden die Wissenschaftler von sogenannten Kristallisationsrobotern unterstützt: Diese entziehen den Proteinen den Mantel aus Wasser, von dem sie normalerweise umgeben sind, sodass die Proteine untereinander wechselwirken und sich regelmäßig anordnen können. „Wenn man das langsam macht, dann bilden sich Kristalle aus“, erläutert Betzel. „Allerdings sieht man das nicht.“ Deshalb wird es im XBI-Labor auch Geräte geben, mit denen die Wissenschaftler überprüfen können, ob die Kristallisation überhaupt funktioniert hat – und dass die Nanokristalle möglichst gleich groß sind, um so möglichst zuverlässige Ergebnisse zu liefern.

„Von der konventionellen Feinwaage bis hin zum modernsten Analysegeräten ist im XBI Labor eigentlich alles vertreten“, fasst Betzel die Ausstattung des XBI-Labors in der Experimentierhalle des neuen Röntgenlasers zusammen. Seit Oktober 2016 wird das Labor ausgestattet, im April 2017 soll es fertig sein – pünktlich zum Start des European XFEL.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/bmbf/erforschung-kondensierter-materie/ein-biolabor-fuer-den-european-xfel/