Braune Zwerge

Maike Pollmann

Der Planet besitzt sechs Mal soviel Masse wie der Jupiter und reist einsam, ohne Heimatstern durch das All – ein ideales Objekt für direkte Beobachtungen.

Es gibt Sterne und Planeten und in einem kleinen Massenbereich dazwischen sogenannte Braune Zwerge – so nahm man lange an. Doch neue Beobachtungen legen nahe, dass die Grenzen fließend sind. Viki Joergens vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg erzählte in unserem Podcast, was man bisher über Braune Zwerge weiß und wie man diese Himmelskörper erforscht.

Oftmals werden sie als Mittelding zwischen Planet und Stern bezeichnet – Braune Zwerge. Tatsächlich lassen sich diese Himmelskörper weder der einen noch der anderen Seite eindeutig zuordnen. Die Obergrenze für ihre Masse ist relativ klar definiert und liegt bei rund 73 Jupitermassen. Denn ab hier herrschen im Kern solche hohen Temperaturen, dass Wasserstoff zu Helium fusionieren kann.

Portrait von Viki Joergens.

Viki Joergens

Viki Joergens: „Braune Zwerge betreiben im Gegensatz zu Sternen keine oder kaum Wasserstofffusion im Inneren und deshalb fehlt Ihnen eine entscheidende innere Energiequelle. Daher können Braune Zwerge die Strahlungsverluste an der Oberfläche nicht kompensieren und kühlen letztlich den ganzen Rest ihres Lebens aus.“

Als Theoretiker solche Objekte Anfang der 1960er-Jahre vorhersagten, schlugen diese zunächst die Bezeichnung „Schwarze Zwerge“ vor. Die hypothetischen Himmelskörper sollten nämlich extrem leuchtschwach sein – nur ein Hundertstel bis weniger als ein Tausendstel der Leuchtkraft der Sonne. Dieses charakteristische Merkmal sorgte allerdings auch dafür, dass die Suche nach diesen Objekten lange erfolglos blieb.

„Es war dann die berühmte Jill Tarter, die 1975 den Begriff ‚Brauner Zwerg‘ in ihrer Doktorarbeit einführte. Sie stellte Berechnungen dazu an, wie man Braune Zwerge beobachten kann und wie viele man mit geplanten Missionen detektieren werden kann. Dabei hat sie natürlich gehofft, dass diese Braunen Zwerge nicht komplett schwarz sind, sondern wenigstens ein bisschen leuchten. Man war dann auf der Suche nach einem anderen Namen. Und Tarter schlug den Namen "Brauner Zwerg" vor. Sie hat es folgendermaßen dargestellt: Braun ist nach der Farbenlehre gar keine Farbe und zu dem Zeitpunkt wusste man auch noch nicht, welche Farbe diese Himmelskörper haben würden."

Einige Forscher zweifelten schon an deren Existenz, als 1995 mit Teide 1 und Gliese 229 B die ersten zweifelsfreien Nachweise Brauner Zwerge gelangen. Dank umfangreicher Himmelsdurchmusterungen kennen Astronomen inzwischen über tausend solcher frei im All umhertreibenden Objekte. Und wie sich herausstellte, taugt auch der Name „Brauner Zwerg“ nicht wirklich – denn die Himmelskörper strahlen vor allem im roten Spektralbereich und würden eher magentafarben am Himmel erscheinen. Während die Abgrenzung zu Sternen recht klar ist, scheint die Grenze zu Planeten eher fließend zu sein. Auch wenn die gegenwärtige Definition der Internationalen Astronomischen Union diese noch bei 13 Jupitermassen verortet, denn ab dieser Massengrenze treten erste Fusionsprozesse auf – Deuterium, also schwerer Wasserstoff, kann in Helium umgewandelt werden.

Masse kein guter Indikator

„Wenn man die aktuellen Forschungen betrachtet und die aktuellen Diskussionen zu dem Thema – keine sehr praktikable Definition. Denn wir entdecken freifliegende Objekte, die haben nur sechs Jupitermassen. Des Weiteren haben wir ein freifliegendes Objekt entdeckt, das besitzt zwölf Jupitermassen und zeigt genau die Anzeichen, die wir vom Sternentstehungsprozess her kennen: Es trägt eine Gas- und Staubsscheibe um sich herum und darin fließen Masseströme auf das Zentralobjekt, sogenannte Akkretionsströme. Das heißt, wir gehen davon aus, dass diese Objekte genauso entstanden sind wie massereichere Braune Zwerge, aber dennoch im klassischen planetaren Massenbereich liegen.“

Funde wie das von Viki Joergens untersuchte Objekt namens OTS44 mit zwölf Jupitermassen zeigen, dass die Masse kein guter Indikator zu sein scheint. Eine andere Möglichkeit, Braune Zwerge von Planeten abzugrenzen, wäre der unterschiedliche Entstehungsprozess. Denn Planeten gehen aus der Gas- und Staubscheibe um junge Sterne hervor, während Sterne aus dem Kollaps riesiger Molekülwolken entstehen. Bisher ist allerdings unklar, wie massearm ein Himmelskörper sein kann, der wie ein Stern entsteht. Theoretisch könnten zwar aus kleineren Wolkenkernen auch kleinere Objekte hervorgehen. Doch wie sich solche kleinen Wolkenkerne bilden, ist bislang nicht verstanden.

Kugelförmiges Objekt, umgeben von einer Scheibe aus Materie.

Künstlerische Darstellung des Objekts OTS44

„Das Kriterium dafür, dass ein Wolkenkern unter seiner Selbstgravitation kollabieren kann, ist abhängig von der Dichte. Und um sehr kleine Massen zum Kollaps zu bringen, also sehr kleine Wolkenkerne, braucht man relativ hohe Dichten. Man hat also einen kleinen Kern und es herrscht eine hohe Dichte, das heißt, es befindet sich viel Material außen herum. Dann stellt sich die Frage: Was hält dieses Objekt davon ab, weiter anzuwachsen und letztlich auch ein Stern zu werden? Da sind schon offene Fragen in den Sternentstehungsmodellen und dafür ist die Beobachtung von OTS44 ein wichtiger Schlüssel, denn diese Theorien müssen in der Lage sein, das zu erklären.“

Theorie und Praxis müssen also zusammenpassen, das gilt natürlich nicht nur für die Entstehung von Braunen Zwergen, sondern auch für alle anderen Eigenschaften dieser Welten. Auskunft darüber geben die wenigen Photonen, die von den Himmelskörpern zu uns gelangen. Astronomen sortieren die Lichtteilchen nach Wellenlängen und erhalten auf diese Weise ein Spektrum, aus dem sich dann viele Informationen über das untersuchte Objekt ableiten lassen. Etwa ob der Braune Zwerg einen Begleiter hat – denn in diesem Fall wären seine Spektrallinien im Spektrum leicht verschoben. Die Ursache dafür ist der sogenannte Dopplereffekt: Die vom Braunen Zwerg ausgehenden Wellenlängen werden periodisch gestaucht beziehungsweise gestreckt, da er mit seinem Begleiter um einen gemeinsamen Schwerpunkt kreist und sich dadurch periodisch auf uns zu und wieder von uns weg bewegt.

„Dafür braucht man ein sehr großes Teleskop, denn man benötigt eine sehr große Auffangfläche – ich mache das mit dem 8-Meter-Teleskop des Very Large Telescopes in Chile. Wir suchen dann nach Dopplerverschiebungen in den Spektrallinien und wir haben auch solche Doppelsysteme gefunden auf die Art und Weise. Die Spektren bieten natürlich auch die Möglichkeit, die Atmosphären von Braunen Zwergen zu untersuchen – ich kann zum Beispiel Elemente finden wie Lithium oder Methan.“

Oberflächenkarten von Braunen Zwergen

Diese beiden chemischen Elemente dienen den Astronomen auch als Anhaltspunkt dafür, dass sie es tatsächlich mit einem Braunen Zwerg zu tun haben. Denn zumindest auf älteren Sternen wäre das Lithium schon längst in Fusionsprozessen verbraucht worden. Und Methan könnte auf Sternen gar nicht existieren, denn es zerfällt bei etwas über tausend Grad Celsius. Weitere Einblicke ermöglichen photometrische Beobachtungen: Astronomen messen dabei, wie sich die emittierte Lichtmenge in verschiedenen Wellenlängenbereichen über einen langen Zeitraum verändert.

„Man kann auf die Art und Weise zum Beispiel Wetterphänomene feststellen. Bei ganz jungen Braunen Zwergen haben wir auch festgestellt, dass sie Flecken aufweisen so wie die Sonne oder wie junge Sterne. Und im Idealfall könnte man auch Bedeckungen eines Doppelsystems finden.“

Wetterkarte des Braunen Zwerges Luhman 16B

Oberflächenkarte von Luhman 16 B

Erst kürzlich gelang es mithilfe von Spektren, die Wolkenstruktur eines nur sechseinhalb Lichtjahre von uns entfernten Braunen Zwergs abzuleiten. Die Forscher nutzen dafür ein Verfahren namens Dopplertomografie.

„Aus Beobachtungen zu verschiedenen Zeitpunkten – während sich dieses Objekt dreht, also zu verschiedenen Rotationsphasen – wird bei dieser Methode ein Bild rekonstruiert. Das ist ähnlich der Computertomografie, bei der ein Instrument um den menschlichen Körper herumfährt und ihn aus verschiedenen Winkeln aufnimmt. Dabei nimmt man natürlich nur zweidimensionale Bilder auf, aber letztlich entsteht ein dreidimensionales Bild.“

Ganz analog lassen sich mithilfe der Dopplertomographie aus eindimensionalen Spektren, zweidimensionale Oberflächenkarten rekonstruieren. Bei dem nun untersuchten Braunen Zwerg namens Luhmann 16 B konnte man so auf Wetterphänomene in der Atmosphäre schließen. Ihre Beobachtungsdaten gleichen die Astronomen auch in diesem Fall wieder mit theoretischen Modellen ab. Keine einfache Aufgabe, denn die Atmosphären von Braunen Zwergen gestalten sich deutlich komplexer als etwa heiße Sternatmosphären, in denen die enthaltenen Gase nicht kondensieren und Wolken bilden können. Und auch die Atmosphäre unseres Planeten kann – trotz vielfältiger Wetterphänomene – nicht mithalten.

„Man hat eben unheimlich viele freie Parameter. Sie müssen sich vorstellen, in unserer Erdatmosphäre haben wir Wasserdampf und der kondensiert – und das ist schon schwer zu verstehen, was da alles passiert. In der Atmosphäre von Braunen Zwergen kommen sehr viele verschiedene Elemente vor, die alle bei verschiedenen Temperaturen und damit in verschiedenen Höhen kondensieren können.“

Forschung noch am Anfang

Die Atmosphären von Braunen Zwergen zu verstehen, ist auch für die Erforschung von extrasolaren Planeten von Interesse. Denn mit Oberflächentemperaturen von wenigen Tausend bis hin zu einigen Dutzend Grad Celsius herrschen hier vermutlich ähnliche Bedingungen wie auf großen Gasplaneten.

„Und die Atmosphären von Braunen Zwergen sind viel einfacher zu untersuchen, weil sich diese Himmelskörper ja frei durchs All bewegen und man keinen störenden Mutterstern hat. Also für die Erforschung dieser kühlen Atmosphären sind die nicht wegzudenken.“

Um die Rolle von Braunen Zwergen als Bindeglied zwischen Sternen und Planeten künftig noch genauer untersuchen zu können, freuen sich Astronomen wie Viki Joergens schon auf bessere Beobachtungsdaten.

„Zum einen wird die Braune-Zwerg-Forschung natürlich von dem Extremely Large Telescope profitieren, weil Braune Zwerge leuchtschwach sind – also je mehr Photonen man sammeln kann, desto mehr kann man auch untersuchen. Zum anderen wird zum Beispiel auch Gaia  – der Satellit, der im Dezember in den Weltraum geschossen wurde  eine große Rolle spielen, weil Gaia für sehr viele Braune Zwerge – 50 000 oder eine ähnliche Hausnummer – die Abstände messen wird. Das ist ein sehr wichtiger Parameter. Damit werden wir alles genauer machen können, was wir bisher gemacht haben.“

Momentan scheinen viele Beobachtungen und Neufunde allerdings noch mehr Fragen aufzuwerfen, als zu beantworten. Die Erforschung Brauner Zwerge steht eben noch am Anfang.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/sterne/braune-zwerge/