„Damals war der Mars noch lebensfreundlich“
Dirk Eidemüller

NASA/JPL-Caltech/MSSS
Welt der Physik: Was genau hat der Marsrover Perseverance entdeckt?
Ernst Hauber: Die spannende Gesteinsformation, die Perseverance entdeckt hat, befindet sich an einem Seitenhang des Tales, durch das einst Wasser in den Jezero-Krater geflossen ist. Diese Mineralien sind eisenhaltige Phosphate und Sulfide, die sich durch ein besonderes Muster auszeichnen. Auch organische Kohlenstoffverbindungen hat man gefunden. Vom Aussehen her erinnern sie aufgrund der kleinen, schwarz umrandeten Kreise ein wenig an ein Leopardenfell. Solche Gesteinsformationen kennt man auch von der Erde. Dort treten sie etwa in Sedimenten auf und sind in Zusammenhang mit Mikroben, also mit Leben, bekannt. Das Besondere ist nun, dass man solche Gesteine zum ersten Mal auf dem Mars gefunden hat.
Wie ist es zu dem Fund gekommen?
Ursprünglich war der Rover auf dem Boden des Jezero-Kraters gelandet, hat den Weg zum Delta genommen und ist dann in das Tal gefahren. Dort hat er vor rund einem Jahr auch die Gesteinsformation entdeckt. Diese Ergebnisse der Analyse der Probe sind jetzt wissenschaftlich eingehend untersucht und publiziert worden. Mittlerweile befindet sich der Rover außerhalb des Kraters und untersucht das umliegende Gelände.
Welche Route der Rover nimmt, wird schon lange im Vorfeld geplant. Den Jezero-Krater hatte man für die Mission von Perseverance ausgewählt, weil er sehr groß und alt ist. In der Frühzeit des Mars, vor etwa vier Milliarden Jahren, hat ein heftiger Meteoriteneinschlag diesen rund 48 Kilometer durchmessenden Krater geschlagen, der sich dann mit Wasser füllte, bis er ein großer See wurde und sich sogar ein Flussdelta in dem Krater bildete. All das ist gut bekannt aus den sehr hochaufgelösten Satellitenaufnahmen, die von Missionen wie dem Mars Reconnaissance Orbiter der NASA stammen.
Was ist geologisch an den Befunden so besonders?
Für mich als Geologe und Planetenforscher sticht heraus, dass wir es mit einer außergewöhnlichen Vergesellschaftung von Mineralien zu tun haben. So bezeichnen wir das gemeinsame Auftreten verschiedener Mineralientypen. Die Phosphate und Sulfide zeichnen sich durch unterschiedliche Oxidationsstufen aus, sie sind also in einem komplexen chemischen Umfeld entstanden. Die gefundenen Gesteine sind zudem schon vor sehr langer Zeit entstanden, als es auf dem Mars noch Wasser gab, vor weit über drei Milliarden Jahren. Damals war der Rote Planet also noch lebensfreundlich.
Es wurde in den Medien viel über diesen Fund berichtet, weil er womöglich auf vergangenes Leben auf dem Mars hinweist. Ist es aus Ihrer Sicht möglich, dass diese Gesteine durch Mikroben geformt wurden?
So einfach lässt sich das nicht beantworten. Es ist nämlich ebenso denkbar, dass diese Mineralien aus abiotischen, also rein geochemischen Prozessen stammen. Sollten sie tatsächlich aus biologischen Prozessen stammen, wäre das natürlich eine Sensation und der erste sichere Hinweis auf Leben jenseits der Erde. Um das genauer beantworten zu können, müsste man diese Gesteine allerdings in irdischen Laboren mit modernster Technik untersuchen.
Der Rover kann das nicht leisten?
Nein, leider nicht. Er hat zwar einige Analysegeräte an Bord. Aber damit lässt sich diese Frage nicht entscheidend beantworten. Deshalb hat Perseverance dort eine Probe entnommen und an Bord verstaut. Bei einer zukünftigen Probenrückholmission, bei der die mehreren Dutzend Proben des Rovers auf die Erde gebracht werden sollen, werden diese Mineralien mit Sicherheit zu den spannendsten Kandidaten gehören. Leider steht eine solche Mission derzeit ziemlich in den Sternen, weil die Finanzierung bislang unklar ist.
Was bedeutet das für die Marsforschung?
Wir müssen zunächst schauen, dass wir mit den gegenwärtigen Missionen einen möglichst großen Ertrag erzielen – auch um weitere Missionen zu motivieren. Denn vom Mars können wir sehr viel über die Frühgeschichte des ganzen Planetensystems lernen, und auch über die Erde. Auf unserem Planeten haben ja die Plattentektonik und die biologischen Prozesse die ursprünglich vorhandenen Gesteine und Mineralien über die Jahrmilliarden fast vollständig verändert. Vom Mars können wir deswegen lernen, wie es möglicherweise auf der jungen Erde einst ausgesehen hat. Nun wird in China eine Probenrückholmission vom Mars geplant, die allerdings auf einen bestimmten Ort und seine direkte Umgebung beschränkt sein wird. Aber alle Planetenforscherinnen und -forscher werden auf diese Proben hochgespannt sein. Denn von den Mondproben, die seinerzeit die Astronauten der Apollo-Mission mitgebracht haben, konnten wir bedeutende Erkenntnisse über Mond und Erde gewinnen – auch jetzt noch.
Was erforscht der Rover jetzt gerade?
Er durchstreift das Umland des Kraters, wo sich sehr altes Gestein befindet. Dazu zählt Bruchgestein, das Meteoriteneinschläge aus der Tiefe herausgeschlagen haben. Im Gegensatz zum Kraterinnern und dem Flussdelta hat man es hier aber nicht mit einer feuchten Umgebung zu tun. Stattdessen erhoffen wir neue Einsichten in die frühe Phase des Mars, vor knapp vier Milliarden Jahren, ungefähr zur Zeit des großen Bombardements durch zahlreiche Meteoriten. Das könnte uns Aufschluss geben über die damaligen geochemischen Voraussetzungen, die eventuell als Grundlage für Lebensformen gedient haben.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/planeten-des-sonnensystems/der-mars/extraterrestrisches-leben-damals-war-der-mars-noch-lebensfreundlich/