Entstehung eines fernen Gasriesen

Rainer Kayser

Leuchtender Punkt im All, von dem sich konzentrisch Wolkenringe wegbewegen

M.Weiss/Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian

In einer Scheibe aus Gas und Staub, die den jungen Stern GM Aurigae umgibt, entsteht vermutlich gerade ein großer Gasplanet. Das zeigen Beobachtungen und Modellrechnungen, anhand derer ein Forscherteam die Dichte und Temperatur in der Scheibe abhängig von der Entfernung zum Stern bestimmt hat. In einer äußeren Region der Scheibe könnten demnach günstige Bedingungen für die Entstehung eines Planeten herrschen, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Astrophysical Journal Supplement“.

Diese Region ist etwa 70- bis 100-fach weiter von dem Stern entfernt als die Erde von der Sonne und scheint an der Grenze zur Instabilität zu stehen, so berichten Kamber Schwarz vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg und ihre Kollegen. Messungen der Infrarotstrahlung zeigen außerdem, dass sich in ebendieser Region ein Staubring befindet. Jener Staub schirmt das Gas dort teilweise vor der Strahlung des Sterns ab. Dadurch sei das Gas kühler und könne sich zu einem riesigen Planeten zusammenziehen, so die Forscher.

Sie beobachteten den 520 Lichtjahre entfernten Stern und die protoplanetare Scheibe, in der sich Gas und Staub verdichten und schließlich Planeten entstehen können, mit zwei Spezialteleskopen: der internationalen Radioteleskopanlage ALMA in Chile und dem europäischen Infrarot-Weltraumteleskop Herschel. Beide Instrumente eignen sich besonders gut dazu, die Entstehung von Planeten zu beobachten. Die Herausforderung ist jedoch, herauszufinden, wann und wie die Entstehung von Planeten in einer protoplanetaren Scheibe einsetzt.

Schwarz und ihre Kollegen haben im Rahmen eines größeren Projekts mit ALMA und Herschel die Strahlung aus der Scheibe um den Stern GM Aurigae gemessen, die von Wasserstoff- und Kohlenmonoxid-Molekülen herrührt. Hieraus ermittelten sie die Dichte und die Temperatur der dortigen Materie. Denn diese beiden Größen entscheiden darüber, ob die Scheibe lokal stabil ist oder nicht: Je höher die Dichte und umso geringer die Temperatur, desto eher kann sich das Gas durch seine eigene Gravitation zusammenziehen, verdichten und schließlich einen Planeten bilden.

Aus den so gewonnenen Daten entwickelten die Wissenschaftler ein physikalisches Modell der Scheibe. Daraus ergab sich eine – für die Astronomen überraschend große – Gesamtmasse der Scheibe um GM Aurigae: Etwa 20 Prozent der Masse unserer Sonne weist sie den Berechnungen nach auf. Innerhalb jener protoplanetaren Scheibe nimmt die Temperatur aufgrund der Strahlung des jungen Sterns von außen nach innen zu – mit Ausnahme des beobachteten Rings. Dort ist es noch kühler als in der Umgebung. Hier könnte der Kollaps zu einem großen Gasplaneten bereits begonnen haben.

Das Modell der Forscher hat allerdings noch eine Schwäche: Es geht – um die Berechnungen zu vereinfachen – davon aus, dass die Materie symmetrisch zur Rotationsachse der Scheibe um sie herum verteilt ist. Durch die lokale Verdichtung von Gas und Staub zu einem Planeten weichen die tatsächlichen Gegebenheiten jedoch von diesem Modell ab. Mithilfe weiterer Beobachtungen wollen Schwarz und ihr Team deshalb die instabile Region genauer unter die Lupe nehmen und daraus ein verfeinertes Modell entwickeln. Damit sollte sich definitiv zeigen, ob dort bereits ein Planet entsteht und in welchem Stadium sich dieser Prozess befindet.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2021/entstehung-eines-fernen-gasriesen/