Pulsar unter dem Vergrößerungsglas

Dirk Eidemüller

Der Pulsar PSR B1957+20 leuchtet in dieser künstlerischen Darstellung durch den Gasschweif seines Begleitsterns.

M. A. Garlick/University of Toronto

Astronomen glückte eine der schärfsten Himmelsbeobachtungen aller Zeiten: Eine ungewöhnliche Konstellation in einem 6500 Lichtjahre von uns entfernten Doppelsternsystem ermöglichte extrem hochaufgelöste Aufnahmen eines Neutronensterns. Angesichts der enormen Distanz sei die erreichte Auflösung immens, so die Wissenschaftler in der Zeitschrift „Nature“. Sie entspricht ungefähr der Fähigkeit, ein Haar auf der Oberfläche des Mars auszumachen.

Robert Main von der University of Toronto und seine Kollegen blickten mit dem 305-Meter-Radioteleskop am Arecibo-Observatorium in Puerto Rico auf das Doppelsternsystem. Neben dem schnell rotierenden Neutronenstern – auch Pulsar genannt – befindet sich dort ein Brauner Zwerg. Diese Sterne besitzen zu wenig Masse, um in ihrem Inneren dauerhaft eine Kernfusion von Wasserstoff zu Helium anzutreiben. Beide Gestirne umkreisen einander in rund neun Stunden, wobei der Braune Zwerg einen kometenhaften Schweif aus Gas hinter sich herzieht. „Das Gas wirkt wie ein Vergrößerungsglas – direkt vor dem Pulsar“, erläutert Main. Denn bei jedem Umlauf schiebt sich der Schweif von der Erde aus gesehen vor den Neutronenstern und bündelt dadurch die von ihm ausgehende Radiostrahlung. Durch diesen Effekt wurde das Radiosignal bei einigen Frequenzen jeweils für wenige Millisekunden rund siebzig- bis achtzigfach verstärkt. Die Astronomen waren dadurch in der Lage, zwei starke Emissionsgebiete in der Atmosphäre des Pulsars auszumachen – nur zwanzig Kilometer voneinander entfernt. Diese Ortsbestimmungen in einem derart fernen System gehören zu den genauesten in der gesamten Geschichte der Astronomie.

Die Oberflächentemperaturen des Begleitsterns verraten, wie stark die Strahlung des Pulsars ist. Der Braune Zwerg ist rund zwei Millionen Kilometer von dem Neutronenstern entfernt – das entspricht dem fünffachen Erde-Mond-Abstand – und weist ihm stets dieselbe Seite zu. Während die Temperaturen auf der abgewandten Seite bei etwa 2800 Grad Celsius liegen, ist der Braune Zwerg auf der zugewandten Seite mit rund 6000 Grad Celsius so heiß wie unsere Sonne. Dies führt zu einer fortlaufenden, starken Erosion seiner Gasschichten, die auch den beobachteten Schweif verursacht. Astronomen nennen den Pulsar in diesem Doppelsternsystem informell auch „Schwarze Witwe“, da er seinen Begleiter allmählich zerstört.

Die neue Entdeckung könnte unter anderem Hinweise auf die sogenannten Schnellen Radioblitze aus den Tiefen des Alls liefern, deren Ursache bislang noch unklar ist. Nach Ansicht von Main und seinen Kollegen spielen bei diesem Phänomen womöglich ebenfalls Linsen aus heißem Gas eine Rolle. Denn die Radioblitze weisen ähnliche Pulsdauern und ein ähnliches Spektrum auf wie die jetzt untersuchte Strahlung des Neutronensterns.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2018/pulsar-unter-dem-vergroesserungsglas/