Wenn Sterne auf Reisen gehen

Daten der Raumsonde Gaia verraten, warum manche Sterne ihren ursprünglichen Sternhaufen verlassen.

Johanna Schaefer

Sternhintergrund mit wolkenartiger Struktur mit leuchtenden Schlieren in der Mitte.

NASA/JPL-Caltech/UCLA

Manche besonders massereichen Sterne entfernen sich während ihrer Lebenszeit weit von ihrem ursprünglichen Entstehungsort. Aktuell sind zwei Erklärungen für diese sogenannten Runaway-Sterne bekannt: Sternexplosionen oder eine zu starke Annäherung zu einem anderen Sternsystem. Forschende haben nun einen Weg gefunden, zu identifizieren, zu welcher Kategorie die Ausreißer gehören. Wie die Forschenden im „Astrophysical Journal“ schreiben, sind manchmal auch beide Phänomene für das Ausreißen verantwortlich.

Wenn Runaway-Sterne entstehen, spielen oft Doppelsysteme eine wichtige Rolle – etwa zwei Sterne, die sich gegenseitig umkreisen. Explodiert einer davon am Ende seiner Lebenszeit in einer gewaltigen Supernova, kann die Schockwelle den anderen Stern aus dem System schleudern. Manchmal verlassen in solchen Fällen auch beide Himmelskörper gemeinsam das Geburtscluster, also den Sternenhaufen, in dem sie entstanden sind: einer von ihnen als Neutronenstern oder Schwarzes Loch, das bei der Explosion zurückgeblieben ist. Alternativ können Runaway-Sterne entstehen, wenn sich zwei Sternsysteme so nah kommen, dass deren Schwerkraft einzelne Sterne herauskatapultiert.

Um zu klären, welches der beiden Phänomene dominiert und wie sich Runaway-Sterne verschiedenen Ursprungs unterscheiden, hat das Forschungsteam um Grant Phillips von der University of Michigan 300 mögliche Ausreißer in der Kleinen Magellanschen Wolke, einer nahen Zwerggalaxie, untersucht. Aus Daten der Raumsonde Gaia berechneten Phillips und sein Team die Richtung und Geschwindigkeit der Ausreißer, die manchmal allein, manchmal zu zweit unterwegs sind.

Geschwindigkeit verrät, was passiert ist

Als erstes haben sich die Astronominnen und Astronomen Doppelsterne angeschaut, die gemeinsam aus ihrem Geburtscluster geschleudert wurden. Denn hier ist die Klassifikation besonders einfach: Ist eines der beiden Objekte kein normaler Stern, sondern ein Schwarzes Loch oder ein Neutronenstern, müssen sie durch eine Supernova vom ursprünglichen Ort weggeschleudert worden sein. Sind beide Objekte jedoch Sterne, kann noch keiner von ihnen explodiert sein – also haben sie das Geburtscluster verlassen, weil sie sich zu stark an ein drittes Objekt angenähert haben.

Anhand der Daten stellten die Forschenden fest, dass die Supernovaausreißer im Schnitt langsamer waren. In einem zweiten Schritt konnten sie deshalb auch die einzeln herumfliegenden Sterne einteilen: Sie verglichen die Geschwindigkeit der Sterne mit den Doppelsystemen. Auch für Sterne, die aus dem Muster fallen, da sie etwas schneller unterwegs sind als die typischen Supernovaausreißer, fanden sie eine Erklärung: Ein anderes System hat sie gemeinsam mit ihrem Partnerstern in Bewegung gebracht; dann hat die Supernova des Partners ihnen einen zweiten Kick versetzt.

Überraschenderweise können Sterne, die durch Annäherung zu Ausreißern wurden, zwei leicht verschiedene Geschwindigkeiten haben. Um diesen Effekt abschließend zu erklären, wollen die Forschenden nun weitere Untersuchungen anstellen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2024/sternentwicklung-wenn-sterne-auf-reisen-gehen/