Mehr Riesengalaxien als erwartet

Rainer Kayser

Mehrere weiße Radioantennen in der Wüste vor blauem Himmel

ALMA

Die größten Galaxien im Universum entstanden bereits in den ersten zwei Milliarden Jahren nach dem Urknall. Die Suche nach diesen Riesengalaxien im jungen Kosmos – beispielsweise mit dem Weltraumteleskop Hubble – war lange erfolglos geblieben. Doch mit der Radioteleskopanlage ALMA in Chile wurde ein internationales Forscherteam jetzt fündig. Die Entdeckung werfe allerdings neue Probleme auf, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“: Die frühe Entstehung derart vieler massereicher Galaxien lasse sich im Rahmen des kosmologischen Standardmodells nicht erklären.

Rechts vier verschwommene Himmelsobjekte. Links ein Himmelsausschnitt mit Sternen und Galaxien.

Massereiche Galaxien im jungen Kosmos

Die besonders großen und massereichen Galaxien waren den Astronomen bislang aus zwei Gründen entgangen, erläutern Tao Wang von der Universität Tokio und seine Kollegen. Zum einen enthalten die jungen Galaxien viel Staub, der ihr Licht zurückhält. Und zum anderen wird ihre Strahlung durch die Expansion des Weltalls gestreckt und so zu größeren Wellenlängen verschoben – im optischen Spektralbereich sind sie dadurch unsichtbar. Deshalb griff das Team auf ALMA zurück: Die aus 66 Radioantennen bestehende Anlage in der Atacamawüste ist auf Beobachtungen im langwelligen Bereich spezialisiert.

Im durchsuchten Himmelsausschnitt entdeckten die Astronomen um Wang gleich 39 Riesengalaxien im frühen Universum. „Es ist das erste Mal, dass wir die Existenz einer solchen großen Population massereicher Galaxien bereits während der ersten zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren nachweisen konnten“, erläutert Wang. Hochgerechnet auf den gesamten Himmel liefert das neue Ergebnis allerdings zehn- bis hundertmal mehr Riesengalaxien, als das Standardmodell der Kosmologie vorhersagt.

Man müsse die Vorstellungen über die Entstehung der massereichen Galaxien offenbar erheblich revidieren, folgern Wang und seine Kollegen. Entscheidend könnte dabei der Einfluss der Dunklen Materie sein. Woraus diese rätselhafte Substanz besteht, die etwa 80 Prozent der Materie im Weltall ausmacht, ist bislang nicht bekannt. Detaillierte Beobachtungen der großen Galaxien im jungen Kosmos – etwa mit dem zukünftigen James-Webb-Weltraumteleskop – könnten Rückschlüsse auf ihre Entstehung und damit auch auf die Dunkle Materie erlauben.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2019/mehr-riesengalaxien-als-erwartet/