Rätsel um energiereiche Neutrinos

Energiereiche Teilchen aus dem All: Woher stammen sie und widerspricht eins davon bisherigen Messungen?

Rainer Kayser und Redaktion

Ein runde Maschine, die an einem Haken hängt und gerade aus dem Meer gezogen wird

Patrick Dumas/CNRS

Es gibt unzählige von ihnen, doch nachweisen lassen sie sich nur mit hohem Aufwand: Neutrinos. Am 13. Februar 2023 registrierte das Neutrinoobservatorium KM3NeT/ARCA vor der sizilianischen Küste ein solches Teilchen, das vielfach energiereicher war als alle zuvor nachgewiesenen Neutrinos. Ist dieses Neutrino durch ein neues physikalisches Phänomen entstanden? Nicht unbedingt, wie ein Forschungsteam in der Fachzeitschrift Physical Review X zeigt.

Mehrere hundert Billiarden Elektronenvolt wies das besondere Neutrino auf und stellte damit alle Neutrinos in den Schatten, die Forschende mit anderen Detektoren wie IceCube oder dem Pierre-Auger-Observatorium aufgespürt hatten. Oscar Adriani vom Institute for Nuclear Physics in Italien und sein Team haben das besondere Ereignis nun in die Daten der anderen Observatorien eingeordnet. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass das Ausnahmeteilchen je nach Annahmen, von denen sie ausgegangen sind, mit einer Wahrscheinlichkeit zwischen 0,3 und 20 Prozent mit den Ergebnissen der anderen Neutrinoobservatorien in Einklang steht.

Für Physikerinnen und Physiker heißt ein solch niedriger Wert keinesfalls, dass die neue Messung bisherigen Ergebnissen widerspricht oder ein neues Phänomen darstellt. Denn wenn sie viele Messungen durchführen, stoßen sie natürlich auch auf seltene Ereignisse. Gut möglich also, dass das neue Ergebnis nur einen besonders seltenen Vertreter aus der Welt der Elementarteilchen zutage gebracht hat. Um das zu bestätigen, seien nun weitere Messungen notwendig, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Entstehung auch anders als bislang angenommen möglich

Parallel zu dieser Analyse ist ein Team um Rasha Abbasi von der RWTH Aachen der Frage nachgegangen, woher Neutrinos mit sehr hohen Energien kommen. Bisher war bekannt, dass sie die Erde gleichmäßig aus allen Richtungen erreichen. Das zeigt, dass sie nicht aus der Milchstraße stammen, denn dann müsste es mehr Neutrinos aus der galaktischen Ebene geben. Stattdessen stammen die Neutrinos aus fernen Regionen weit außerhalb der Milchstraße. Bislang nahmen viele Forschende an, die Neutrinos mit den höchsten Energien entstünden dort ausschließlich durch Protonen, die mit energiereichen Lichtteilchen, den Photonen, zusammenstoßen.

Um das zu prüfen, werteten Abbasi und sein Team über 12,6 Jahre angesammelte Daten des Neutrinodetektors IceCube am Südpol neu aus. Aus der Häufigkeit der Neutrinos mit verschieden hohen Energien ermittelten die Forschenden, dass maximal 70 Prozent der Neutrinos auf Protonen zurückgehen können und auch größere Atomkerne an der Erzeugung der Neutrinos beteiligt sein müssen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2025/elementarteilchen-raetsel-um-energiereiche-neutrinos/