ALICE schafft den Zugang zum Quark-Gluon-Plasma

Reinhard Simon

Die Zeitprojektionskammer

Wenn schwere Kerne zusammenstoßen, kann Quark-Gluon-Plasma (QGP) entstehen und in Teilchen ausfrieren, die von ALICE nachgewiesen werden. Die Resultate geben Einblick in die Eigenschaften des Quark-Gluon-Plasmas.

Schematischer Atomaufbau. Gezeigt ist ein Atom, ein Atomkern, die Kernbausteine Neutronen und Protonen aus Quarks aufgebaut.

Atomaufbau

Die uns vertraute Materie besteht aus Atomen, Gebilden mit einem massiven Kern aus Protonen und Neutronen und mit einer nahezu massenlosen Hülle aus Elektronen. Die Kernbausteine selbst sind wiederum zusammengesetzt, und zwar aus Quarks, die durch Gluonen zusammengehalten werden. Die Bindung der Quarks untereinander ist äußerst stark. Es bedarf einer Kraft vergleichbar mit dem Anzugsvermögen einer ICE-Lok, um die Quarks voneinander zu trennen, und statt freier Quarks erhält man dabei immer nur neue zusammengesetzte Teilchen aus Quarks und Gluonen.

Graphische Darstellung eines Mini-Urknalls. Entstehung von Teilchen, Kernen und Atomen in Bezug auf die Temperatur.

Mini-Urknall

Die Theorie der Quarks und Gluonen, die Quantenchromodynamik, sagt jedoch vorher, dass bei hoher Temperatur und bei hoher Dichte Protonen und Neutronen ihre Identität verlieren und die Quarks freigesetzt werden. Das gilt für Temperaturen, die mehrere hunderttausendmal höher sind als im Innern der Sonne, oder für Dichten, wie sie im Zentrum von Neutronensternen vorkommen, Objekten mit ein paar Kilometern Durchmesser, die soviel Masse haben wie die Sonne. Unter derartigen Bedingungen lassen sich die Quarks nicht mehr in den konventionellen Teilchen einschließen. Vielmehr bilden sie und die Gluonen eine neue Form der Materie aus, das Quark-Gluon-Plasma.

Die Freisetzung der Quarks ist anderen, uns besser vertrauten Übergängen zwischen den verschiedenen Erscheinungsformen der Materie nicht unähnlich. Eis schmilzt, wenn es erwärmt wird, und die entstehende Flüssigkeit geht schließlich bei weiterer Wärmezufuhr in Dampf über. Die drei Phasen, in denen der Stoff Wasser in der Natur auftritt, sind eingehend untersucht worden. Übergänge von einer Phase zur anderen treten nur bei wohl definierten Werten von Druck und Temperatur auf.

Großer Zylinder, in der Mitte ein Loch, in dem eine Person sitzt.

Die Zeit-Projektionskammer

Auf ähnliche Weise beginnen die Physiker nun, die Phasenübergänge zu studieren, die das junge Universum nach seiner Entstehung durchlaufen hat. Einige Milliardstel Sekunden nach dem Urknalls war die Materie äußerst heiß und dicht und bildete ein Quark-Gluon-Plasma. Sowie sich das Universum aber unter die kritische Temperatur für freie Quarks abkühlte, sind zusammengesetzte Teilchen – die sogenannten Hadronen – ausgefroren. Auf diese Weise haben sich Protonen und Neutronen und die ersten leichten Atomkerne gebildet.

Das Experiment ALICE am LHC zielt darauf ab, den QGP-Zustand des Urknalls wieder herzustellen, und zwar in der Form von winzig kleinen, heißen und dichten Feuerbällen, wie sie beim Zusammenstoß von Atomkernen entstehen. ALICE wird die Ereignisse aufzeichnen, die sich aus jedem solchen Mini-Urknall entwickeln, und wird so beobachten können, wie aus dem QGP die uns vertrauten Formen der Materie geboren wurden.

Simulierte Bahnen der Teilchen, die bei einer Kollision entstehen.

Simulierte Teilchenbahnen

Die bisherigen CERN-Experimente an dem auf Schwerionenbetrieb umgerüsteten Superprotonsynchrotron SPS haben erste Hinweise dafür geliefert, dass man für kurze Augenblicke, die kaum länger sind als die Dauer des Kernstoßes selbst, QGP erzeugen kann. Inzwischen hat der Schwerionenkollisionsbeschleuniger RHIC am Brookhaven National Laboratory in den Vereinigten Staaten seinen Betrieb bei der zehnfachen SPS-Energie aufgenommen und vielfältige Hinweise auf die Bildung eines QGP geliefert. Mit dem LHC jedoch wird die verfügbare Energie um einen weiteren Faktor dreißig gesteigert. Der Feuerball in einem Mini-Urknall am LHC wird dementsprechend groß sein und auch deutlich heißer als bei RHIC, und er wird lange existieren. Das wird uns in die Lage versetzen, das QGP eingehend zu studieren und in seinen Eigenschaften präzise zu charakterisieren

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/experimente/teilchenbeschleuniger/cern-lhc/lhc-experimente/alice/