Quantenbits für höhere Temperaturen

Dirk Eidemüller

Grafische Darstellung: Zwei wollknäuelähnliche Kugeln drehen sich im Raum um sich selbst, zwischen ihnen sind blitzartige hellblaue Linien zu sehen, über ihnen Metallscheiben

Luca Petit/QuTech

Quantencomputer sollen zukünftig die moderne Computertechnik in Bereichen wie der Kryptographie, der Materialforschung oder der Medikamentenforschung revolutionieren. Dieses enorme Potenzial verdanken Quantencomputer ihren logischen Grundbausteinen, den sogenannten Qubits. Doch zurzeit haben die Entwickler von Quantencomputern noch mit vielen Problemen zu kämpfen. Denn beispielsweise funktionieren die gängigsten Qubits nur bei äußerst tiefen Temperaturen – typischerweise bei 0,1 Grad Celsius über dem absoluten Temperaturnullpunkt. Nun haben gleich zwei Forscherteams im Fachjournal „Nature“ neuartige Qubits vorgestellt, die schon bei höheren Temperaturen funktionieren und damit enorme Kosten einsparen.

Qubits besitzen eine besondere Quanteneigenschaft: Im Gegensatz zu den Recheneinheiten herkömmlicher Computer – die nur mit den Werten „Null“ oder „Eins“ rechnen können – kann ein Qubit auch jeden Zwischenzustand besitzen. Außerdem lassen sich Qubits miteinander in einen quantentypischen Verschränkungszustand bringen, bei dem alle Qubits einen gemeinsamen Kollektivzustand einnehmen. Dank dieser quantenmechanischen Eigenschaft lassen sich mit Qubits in einem Quantencomputer gleichzeitig alle Schritte eines Algorithmus ausführen. Sobald genug Qubits störungsfrei miteinander verschaltet sind, zieht die Rechenleistung von Quantencomputern schnell an traditionellen Computern vorbei.Doch die Qubits sind extrem empfindlich und müssen deshalb stark gegen äußere Störfelder oder Vibrationen abgeschirmt werden.

Es gibt zudem verschiedene Arten von Qubits – zu den gängigsten Typen gehören sogenannte supraleitende Qubits, die aus einem winzigen elektronischen Schwingkreis bestehen. Diese Qubits haben den Vorteil, dass man sie in größerer Zahl mit herkömmlicher Siliziumtechnologie herstellen und verschalten kann. Allerdings funktionieren sie typischerweise nur bei weniger als 0,1 Kelvin, also bei nur 0,1 Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt von Minus 273,15 Grad Celsius. Aufgrund der dafür benötigten Kühlsysteme ist die Arbeit mit diesen Qubits aber nicht nur umständlich sondern auch teuer. Doch zwei Forscherteams ist es nun gelungen, den Kühlaufwand zu verringern.

Menno Veldhorst von der Technischen Universität Delft und seine Kollegen erhöhten die Arbeitstemperatur der Qubits auf 1,1 Kelvin indem sie viele einzelnen Details ihres Aufbaus verbesserten. Dafür nutzen sie speziell gereinigtes Silizium, das nicht nur frei von anderen Substanzen war, sondern fast ausschließlich aus einem ganz bestimmten Siliziumisotop bestand. Auch Andrew Dzurak von der University of New South Wales in Sydney und seine Kollegen nutzten weitgehend isotopenreines Silizium. Indem sie zudem beim Auslesen der Qubits einen weiteren quantenmechanischen Effekt – den Tunneleffekt – nutzten, erhöhten sie die Arbeitstemperatur sogar auf 1,5 Kelvin. In ihrem Aufbau flossen die Elektronen zwischen der Steuerelektronik und den Qubits nicht durch einen gewöhnlichen Draht, sondern wanderten fast widerstandsfrei durch einen winzigen Kontakt. Dadurch ließen sich die thermischen Schwankungen und das Hintergrundrauschen unterdrücken.

Dieser gelungene Schritt zu höheren Temperaturen klingt zwar zunächst nach nicht allzu viel. Doch in der Tieftemperaturforschung spielt die Grenze von 1 Kelvin eine wichtige Rolle. Denn jedes Zehntelgrad unter 1 Kelvin erhöht den Kühlaufwand, sodass auch die Kosten bis in Millionenhöhe steigen. Zudem funktioniert die konventionelle Steuerelektronik für Qubits bei so tiefen Temperaturen häufig nicht. Um zukünftig Quantenchips – auf denen die Steuerung und die Qubits gemeinsam verbaut sind – zu entwerfen, benötigt man also Qubits, die bei mindestens 1 Kelvin funktionieren. Die neuartigen Qubits sind also ein wichtiger Schritt, um zukünftig einen optimalen Aufbau von Qubits und Steuerelektronik zu entwickeln.

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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2020/quantenbits-fuer-hoehere-temperaturen/