Quantenprozessor aus Silizium

Jan Oliver Löfken

Zeichnung mit zwei nebeneinander liegenden Kugeln, durch die jeweils ein Pfeil stößt, der den Elektronenspin symbolisiert.

L. Vandersypen et al./QuTech/TU Delft

Quantencomputer haben das Potenzial, komplexe Probleme wie etwa Simulationen von Materialeigenschaften sehr viel schneller zu lösen als selbst die leistungsfähigsten Supercomputer. Um dieses Ziel zu erreichen, nutzen Physiker sogenannte Qubits, analog zum Bit in herkömmlichen Computern. Solche Qubits werden beispielsweise mithilfe gefangener Ionen oder supraleitender Nanokristalle erzeugt. Wie Forscher nun in der Fachzeitschrift „Nature“ berichten, erschufen sie mit winzigen Nanostrukturen aus Silizium und Germanium ein System aus zwei Qubits mit dem die Durchführung einfacher Algorithmen gelang. Im Unterschied zu Qubits aus Ionen lassen sich Qubits auf Siliziumbasis prinzipiell einfacher über Magnetfelder und elektrische Spannungen kontrollieren und auslesen.

Zunächst trugen Lieven Vandersypen von der Technischen Universität Delft und seine Kollegen zwei sogenannte Quantenpunkte – einmal aus Silizium, einmal aus Silizium und Germanium – auf einen eigens konstruierten Mikrochip auf. Solche Quantenpunkte bestehen typischerweise aus tausend bis zehntausend Atomen eines Halbleiters, der wiederum in einen anderen Halbleiter eingebettet ist. Die eigentlichen Qubits bilden die Spins der Elektronen in den Quantenpunkten. Vereinfacht kann man sich einen solchen Elektronenspin wie eine Kompassnadel vorstellen, deren Richtung die Forscher über Mikrowellenstrahlung kontrollieren können. Anders als herkömmliche Bits nehmen Qubits nicht nur entweder den Wert „Null“ oder den Wert „Eins“ an, sondern beide gleichzeitig – jeweils mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Solche überlagerten Quantenzustände bilden die Grundlage eines jeden Quantencomputers. Denn dank dieser quantenmechanischen Eigenschaft lassen sich komplexe Aufgaben durch parallele Rechenschritte und nicht durch nacheinander durchgeführte Prozesse wie in herkömmlichen Computerchips lösen.

Vandersypen und seine Kollegen belegten die Tauglichkeit ihres Zwei-Qubit-Systems mit zwei einfachen Algorithmen, die etwa zwischen geraden und ungeraden mathematischen Funktionen unterscheiden. Dafür ergänzten sie ihren Chip um Mikromagneten aus Kobalt und Elektroden für kontrollierbare Spannungspulse, die eine rudimentäre Programmierung und selbst das Auslesen der Quantenzustände ermöglichten. „Mit diesem Ansatz können wir die Technologie herkömmlicher Computerchips für den Bau von programmierbaren Qubit-Systemen nutzen“, so Vandersypen.

Mit nur zwei quantenmechanisch gekoppelten Qubits reicht dieses System nicht an die Leistungsfähigkeit herkömmlicher Computer heran. Zudem existieren bereits Systeme mit mehr als zwanzig Qubits. Doch sind die Forscher davon überzeugt, in naher Zukunft mit mehr Quantenpunkten deutlich mehr Qubits auf einem Mikrochip realisieren zu können. Im Wettlauf zum ersten nutzbaren Quantencomputer bieten Systeme auf der Basis von Quantenpunkten den Vorteil, dass sie sich bereits heute gezielt und mit relativ geringem Aufwand fertigen, programmieren und auslesen lassen.

Wegen der Überlagerung der Quantenzustände in den Qubits wird einem Quantenprozessor aus dreißig Qubits etwa die Leistungsfähigkeit eines Laptops zugesprochen und schon mit vierzig Qubits sollen diese Prozessoren mit großen Supercomputern konkurrieren. Quantencomputer werden herkömmliche Computer allerdings nicht ersetzen. Ihre Anwendungen dürften vom Knacken komplexer Verschlüsselungen, über die Simulation chemischer Reaktionen oder neuer Materialien bis hin zur Entwicklung künstlicher, selbstlernender Intelligenzen reichen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2018/quantenprozessor-aus-silizium/