Erster Supraleiter bei Raumtemperatur

Jan Oliver Löfken

Silbernfarbener Ring, der über einer schwarzen Plattform schwebt, umweht von Luftschwaden

University of Rochester photo/J. Adam Fenster

Supraleiter versprechen zahlreiche technische Anwendungen, da sie elektrischen Strom ohne jeden Widerstand und ohne Verluste leiten. Bislang lassen sie sich allerdings noch nicht zur Stromübertragung im großen Maßstab nutzen. Denn die verfügbaren Materialien müssen – um in den supraleitenden Zustand zu wechseln – auf etwa minus 200 Grad Celsius abgekühlt werden. Doch nun stellen Physiker in der Fachzeitschrift „Nature“ erstmals einen Supraleiter vor, der unter Hochdruck bereits bei Raumtemperatur elektrischen Strom ohne Widerstand leitet.

„Um einen Supraleiter für hohe Temperaturen zu entwickeln, braucht man starke Bindungen und leichte Elemente“, so Ranga Dias von der Rochester University. Daher konzentrierte er sich gemeinsam mit seinen Kollegen auf das leichteste Element des Periodensystems, das zudem sehr starke Bindungen aufweist: Wasserstoff. Zunächst erzeugten die Forscher über eine mit Lasern unterstützte Reaktion ein kohlenstoffreiches Schwefelhydrid mit hohen Wasserstoffanteilen aus Wasserstoff, Schwefel und Kohlenstoff. Um dieses Material wiederum in einen Supraleiter zu verwandeln, war ein extrem hoher Druck nötig, den die Forscher mithilfe einer sogenannten Diamantstempelzelle erzeugten.

Schon bei einer Sprungtemperatur von 15 Grad Celsius – also Raumtemperatur – und bei einem Druck von 267 Gigapascal – das entspricht dem 2,5-millionenfachen des Atmosphärendrucks – sank der elektrische Widerstand in der Probe auf null. Damit erreichten die Forscher einen neuen Rekord. Dias und seine Kollegen überprüften außerdem ein weiteres kennzeichnendes Phänomen. Denn ein Supraleiter verdrängt ein äußeres Magnetfeld vollständig aus seinem Inneren. Die Experimente zeigten, dass sich bei einem Druck von 189 Gigapascal und der dementsprechend tieferen Sprungtemperatur von minus 75 Grad Celsius kein Magnetfeld mehr im Schwefelhydrid ausbreiten konnte. Dieses Merkmal ließ sich nicht bei höheren Temperaturen überprüfen, da der dafür nötige, höhere Druck für diese Versuche experimentell nicht aufgebaut werden konnte.

Trotz des neuen Rekords eignet sich das kohlenstoffreiche Schwefelhydrid bislang noch nicht für Stromleitungen. Denn technisch können derart hohe Drücke nur auf kleine Proben in Diamantpresszellen ausgeübt werden. Doch Dias und seine Kollegen hoffen, den benötigten Druck für den supraleitenden Zustand bei Raumtemperatur zukünftig zu verringern, indem sie die Zusammensetzungen der Wasserstoffverbindungen verändern. Sollte dies gelingen, sind nicht nur verlustfreie Stromleitungen denkbar. Auch für sehr schnelle Magnetschwebebahnen, leistungsfähigere Kernspintomographen und sogar spezielle Quantencomputer könnten solche Supraleiter eingesetzt werden.

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Anmerkung der Redaktion: Die Veröffentlichung, auf die sich diese Nachricht bezieht, wurde vom Fachjournal „Nature“ im September 2022 zurückgezogen. Grund hierfür waren Bedenken bezüglich der Auswertung und Interpretation der Daten.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2020/erster-supraleiter-bei-raumtemperatur/