Vibrierende Luftblasen ziehen sich an

Ein überraschendes Phänomen – basierend auf Schallwellen – ermöglicht es, kleine Objekte kontrolliert zu bewegen und anzuordnen.

Jan Oliver Löfken

Grafik: Zwei Graue Quadrate mit blauen Punkten; über dem links vibriert ein schwarzes Quadrat, das sich linear bewegt; über dem rechts bewegt sich ein schwarzes Quadrat, das rotiert

R. Goyal et al./MPIS

Kleinste Objekte lassen sich etwa mithilfe elektrischer Ladungen, magnetischer Anziehung oder durch Laserstrahlen gezielt bewegen, ohne direkt berührt zu werden. Nun gelang dieses Kunststück sogar mit Schallwellen: Damit versetzte eine Gruppe von Physikern winzige, an den Objekten angebrachte Luftblasen in Schwingung und brachte die Objekte infolgedessen in die gewollte Position. Wie sie in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ berichtet, ließe sich dieses Phänomen weiterentwickeln und in Produktionsanlagen oder in der Robotik einsetzen.

Mit dem Druck von Schallwellen lassen sich schon seit einigen Jahren winzige Plastikkügelchen oder Bakterien durch eine Flüssigkeit steuern. Doch für größere Objekte sind die dabei wirkenden Kräfte zu klein. Dieses Problem umgingen Athanasios Athanassiadis und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart mit einem neuen Experiment: In zwei flachen Silikonscheiben von der Größe einer Ein-Cent-Münze formten sie jeweils 121 zylindrische Mulden – jede mit einem Durchmesser von etwa 0,3 Millimetern. Eine der Scheiben deponierten die Forscher mit der Muldenseite nach unten auf den Boden einer kleinen, mit Wasser gefüllten Petrischale. Die zweite Scheibe legten sie ebenfalls mit der Muldenseite nach unten auf die Wasseroberfläche. In jeder der Mulden befand sich außerdem eine kleine Luftblase.

Danach versetzten die Forscher die Luftblasen durch Schallwellen mit einer Frequenz von 3300 Hertz in Schwingung. Dadurch schwankte auch der Luftdruck im Inneren der Luftblasen. Daraufhin bildeten sich zwischen den gegenüberliegenden Luftblasen Anziehungskräfte – sogenannte Bjerknes-Kräfte – aus. Sie lassen die Druckdifferenzen sich schnell wieder ausgleichen. „Diese Anziehungskräfte können genutzt werden, um Objekte von der Größe weniger Zentimeter zu bewegen“, sagt Athanassiadis.

Tatsächlich gelang es so, die Scheiben gezielt zu bewegen: Innerhalb von ein bis zwei Sekunden bewegte sich die schwimmende Muldenscheibe direkt über die zweite Scheibe am Boden und verharrte genau über dieser. In einem zweiten Experiment ordneten die Forscher die Mulden und damit die Luftblasen asymmetrisch an. Abermals wurde die schwimmende Scheibe über die Scheibe am Boden gezogen. Doch diesmal verharrte sie nicht an einer Position, sondern drehte sich wegen der unregelmäßig wirkenden Anziehungskräfte über der Bodenscheibe.

„Wir waren sehr überrascht, wie stark der Effekt der Luftblasen war“, sagt Athanassiadis. Er ist davon überzeugt, dass dieser Effekt vielversprechend für neue Anwendungen in der Mikrorobotik und für Produktionsprozesse ist. In weiteren Versuchen wollen die Forscher überprüfen, wie sich die Anordnung der Luftblasen und deren Größe auswirken könnte. Dabei haben sie auch kleinere Objekte im Fokus, um diese über die Anziehungskräfte zwischen den Luftblasen kontrolliert anzuordnen.

R. Goyal et al.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2022/schallwellen-vibrierende-luftblasen-ziehen-sich-an/