Graphen gleitet fast reibungslos über Gold

Susanne Koch

Ein aus vielen Kugeln aufgebaute Spitze hebt das Ende eines aus sechseckig angeordneten Kugeln bestehendes Streifens an. Dieser befindet sich auf einem Untergrund aus Schichten von größerern Kugeln.

Wenn Flächen übereinandergleiten, tritt Reibung auf. Die Stärke der Reibung hängt von den Materialien ab: Auf Eis rutscht man beispielsweise schneller aus, als auf Teppichboden. Bei bestimmten Materialien verschwindet die Reibung fast komplett – doch dieser Effekt ist bisher kaum verstanden. Nun gelang es Wissenschaftlern ein nahezu reibungsfreies System aus Gold und Graphen genau zu vermessen. Die Ergebnisse haben sie im Fachjournal „Science“ veröffentlicht.

Zweigeteiltes Bild: Beide von einem Rastertunnelmikroskop aufgenommenen Bilder zeigen mehrere helle Streifen unterschiedlicher Länge. Im zweiten Bild ist einer der Streifen entlang eins Pfeils nach rechts verschoben.

Ziehen der Nanobänder

Die Forscher untersuchten die Reibung zwischen Graphennanobändern – dünnen Streifen aus einatomigen Kohlenstofflagen – und einer Goldoberfläche. Mit einem Rasterkraftmikroskop bildeten die Wissenschaftler die atomare Struktur der Streifen und der Goldoberfläche ab. Zudem nutzten sie die Wechselwirkung zwischen der Spitze des Kraftmikroskops und dem Nanoband, um die Atome leicht anzuheben. „So konnten wir das Ende eines Nanobandes ,greifen’ und über die Goldschicht ziehen“, sagt Ernst Meyer von der Universität Basel, einer der Autoren. Mit diesem Experiment ermittelten die Wissenschaftler die Kraft, die nötig war, um unterschiedlich große Graphenstreifen auf der Goldoberfläche zu bewegen, und bestimmten die Reibung zwischen den beiden Materialien.

Gleichzeitig simulierte das Team mit theoretischen Methoden, wie die Atomstruktur mit den auftretenden Reibungseffekten an der Oberfläche zusammenhängt. Demnach kann die Reibung zwischen zwei Schichten nur dann sehr klein werden, wenn die Atome sich nicht „verhaken“. Im Fall von Gold und Graphen bleiben die Kohlenstoffatome der Nanobänder aufgrund ihrer Anordnung und Größe nicht im Atomgitter der Goldschicht hängen. „Außerdem ist das Graphengitter sehr steif und kann sich nicht verformen, um doch in das Goldgitter zu passen. Laut der Theorie kann dann die Reibung fast verschwinden – und genau das haben wir im Experiment gesehen“, sagt Meyer.

Bei verschwindender Reibung spielt es keine Rolle mehr, wie groß die Fläche ist, auf der sich die Stoffe berühren. „Intuitiv würde man denken, dass ein längeres Nanoband schwieriger zu bewegen ist“, so Meyer, „aber im Experiment blieb die Reibungskraft für große und kleine Nanobänder etwa gleich.“

Die Forscher wollen ihren Versuchsaufbau künftig nutzen, um auch die Reibungseffekte zwischen Graphen und anderen Materialien zu untersuchen. „Wir könnten das Graphen zum Beispiel über einen Isolator ziehen“, sagt Meyer. Aus Materialien mit vernachlässigbarer Reibung ließen sich etwa Bauteile herstellen, die kaum verschleißen und aufgrund der geringen Reibungsverluste weniger Energie verbrauchen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2016/reibungskraefte-bei-graphen/