Die Physik des Latte macchiato

Jan Oliver Löfken

Das Bild zeigt ein Glas mit Latte macchiato. Ganz oben ist Milchschaum, darunter eine Schicht dunkler Espresso, gefolgt von heller werdenden Schichten aus Milch und Espresso.

In einem gelungenen Latte macchiato formen sich binnen einiger Minuten mehrere Schichten aus Espresso und Milch und bleiben verblüffend lange stabil. Die zugrunde liegenden Prozesse haben Wissenschaftler nun mit Experimenten und Computersimulationen genauer analysiert. Damit sich die charakteristischen Schichten ausbilden, berichten sie in der Fachzeitschrift „Nature Communications“, darf der Espresso bei der Zubereitung nicht zu langsam in die Milch gegossen werden.

„Um dieses Problem systematisch untersuchen zu können, haben wir anstelle von Espresso und Milch besser kontrollierbare Salzwasserlösungen verwendet“, erläutert Howard Stone von der Princeton University in den USA. Die Dichte der Salzlösung – gut ein Kilogramm pro Liter – entsprach der von Milch. Als Ersatz für den leichteren Espresso nutzten die Forscher reines Wasser, das sie mit einem Farbstoff blau einfärbten. Diese Mischung injizierten sie dann mit einer Spritze in die 40 Grad Celsius warme Salzlösung, wobei sie die Geschwindigkeit genau festhielten.

Das Verhalten der beiden Flüssigkeiten verfolgte das Team mit einer Filmkamera: Unmittelbar beim Einspritzen formte der blaue Espressoersatz in der klaren Salzlösung kleine Wirbel – nach zwei Minuten formten sich erste Schichten. Nach einer halben Stunde konnten die Wissenschaftler bis zu sieben klar voneinander unterscheidbare Schichten mit nach oben zunehmender Farbintensität und abnehmender Dichte beobachten. Die Intensität der Blaufärbung diente den Wissenschaftlern dabei als Maßstab für die Dichte: Je blauer die Flüssigkeit, desto geringer war der Salzwasseranteil und damit auch die Dichte.

Verantwortlich für die Schichtbildung sei ein komplexes Wechselspiel zwischen der Abkühlung am Glasrand und variierender Dichte, so Stone und seine Kollegen. Zunächst bewegt sich das leichtere, eingefärbte Wasser aufgrund des Auftriebs nach oben und das schwere Salzwasser bleibt unten – auf diese Weise werden erste Schichten sichtbar. Doch kühlt das eingefärbte Wasser am Glasrand bis auf Raumtemperatur ab, nimmt seine Dichte zu. Es wird somit schwerer und sinkt am Glasrand nach unten – bis es auf eine Schicht gleicher Dichte trifft. Anschließend bewegt sich die Flüssigkeit nach innen und formt eine weitere Schicht. Durch diesen Prozess entstehen immer mehr Schichten mit nach unten abnehmender Blaufärbung und zunehmender Dichte. Physiker bezeichnen diesen Vorgang als doppelt-diffuse Konvektion, die durch zwei variable Materialeigenschaften angetrieben wird: Temperatur und Salzgehalt.

Zudem war die Schichtbildung abhängig von der Geschwindigkeit, mit der die Forscher das blaue Wasser in die Salzlösung spritzten. Floss die blaue Flüssigkeit zu langsam in die Salzlösung, vermischten sich die Flüssigkeiten nur wenig. Es entstanden keine Phasen unterschiedlicher Dichte und folglich bildeten sich keine Schichten aus. In einem Latte macchiato wäre dann nur eine Trennlinie zwischen dem fast schwarzen Espresso und der weißen Milch sichtbar.

Die detaillierte Analyse der Schichtenbildung dient aber nicht nur der perfekten Zubereitung eines Latte macchiato. Die Ergebnisse können auch zu eleganten und einfachen Verfahren führen, um mehrschichtige Materialien herzustellen. Stone und seine Kollegen zeigten dies mit ersten Versuchen, in denen sie ein mehrschichtiges System aus weichen Gelen herstellten. Diese Methode könnte in Zukunft für die Fertigung von künstlichem Gewebe und auch in der Materialforschung genutzt werden.

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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2017/die-physik-des-latte-macchiato/