Gewitter mit Rekordspannungen

Jan Oliver Löfken

Blitze an dunklem Himmel

Anthony Hunt/istockphoto

Bei Gewittern wirken Erdoberfläche und Atmosphäre wie ein gigantischer Kondensator: Die oberen Luftschichten sind positiv geladen, der Erdboden negativ. Es bauen sich teils enorme elektrische Spannungen auf, bis es schließlich zu einer Entladung kommt – begleitet von Blitz und Donner. Die bisher stärkste atmosphärische Elektrizität registrierten Wetterballone in den 1990er-Jahren in New Mexico. Den damaligen Rekord von 130 Millionen Volt überbietet ein 2014 in Indien aufgezeichnetes Gewitter um das Zehnfache, wie Wissenschaftler nun in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ berichten.

In einer hügeligen Landschaft sind viele kleine Messstationen angeordnet.

Messstationen von GRAPES-3

Sunil Gupta vom Cosmic Ray Laboratory im südindischen Ooty und seine Kollegen ermittelten den neuen Spitzenwert mit GRAPES-3. Das Experiment erforscht kosmische Teilchen, die beständig aus dem All auf die Erdatmosphäre einprasseln. Durch Wechselwirkung mit Luftmolekülen entstehen weitere Partikel, unter anderem Myonen. Auf einer 25 000 Quadratmeter großen Fläche weist GRAPES-3 diese kosmische Strahlung mit insgesamt 400 sogenannten Szintillatoren nach. Passieren geladene Teilchen solche Detektoren, lösen sie darin Lichtblitze aus, die sich messen lassen. Aus der Intensität dieses Lichts können die Forscher dann auf die Energie der kosmischen Teilchen zurückschließen.

Das Team um Gupta analysierte nun Messwerte von Myonen, die es bei 184 Gewittern zwischen April 2011 und Dezember 2014 aufgezeichnet hatte. Demnach verursachte ein Gewitter am 1. Dezember 2014 die mit Abstand größten Myonenenergien. Die geladenen Teilchen wurden durch die enorme elektrische Spannung in der gewittrigen Atmosphäre gen Erdboden beschleunigt, so die Forscher. Anhand der Daten schließen sie auf eine Gewitterspannung von 1,3 Milliarden Volt.

Der neue Rekordwert kann vielleicht ein bisher nicht genau verstandenes Phänomen erklären. Denn bei Gewittern lässt sich teils auch energiereiche Gammastrahlung nachweisen. Spannungen von wenigen Hundert Millionen Volt reichen allerdings nicht aus, um die beobachtete Gammastrahlung zu erzeugen. Die Experimente von Gupta und seinen Kollegen liefern daher ein wichtiges Indiz dafür, dass Gewitterspannungen doch allein für die Bildung dieser energiereichen Strahlung verantwortlich sein können.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2019/gewitter-mit-rekordspannungen/