Warum der Ätna gen Meer rutscht

Sven Titz

Das Bild zeigt ein Schiff, das sich auf dem Meer vor einem Berg befindet.

Felix Gross

Der Vulkan Ätna auf Sizilien rutscht an seiner südöstlichen Flanke von Zeit zu Zeit gen Meer. Als Ursache vermuteten Wissenschaftler bisher Veränderungen des Magmareservoirs unter dem Vulkan. Eine Gruppe um Morelia Urlaub vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel hat nun erstmals mit hoher Genauigkeit untersucht, wie sich der Meeresboden an der südöstlichen Flanke des Vulkans bewegt. Rutschungen aufgrund der Schwerkraft könnten demnach eine wichtigere Rolle spielen als gedacht, so das Team in der Zeitschrift „Science Advances“. Das würde auch bedeuten, dass die Gefahr eines Flankenkollapses am Ätna und an anderen Vulkanen größer wäre als bisher angenommen.

Für ihre Studie nahmen Urlaub und ihre Kollegen sowohl Messungen unter Wasser als auch an Land vor. Die Bewegungen der Landoberfläche erfassten die Forscher mithilfe von GPS-Signalen. Unter Wasser funktioniert diese Technik allerdings nicht. Stattdessen setzte das Team akustische Transponder mit Drucksensoren ein – automatische Kommunikationsgeräte, die sowohl Signale senden als auch Signale empfangen können. Fünf dieser Geräte installierten die Wissenschaftler in einer Tiefe von 1200 Metern an der südöstlichen Flanke des Vulkans. Vertikale Bewegungen des Meeresbodens führten dazu, dass sich der Wasserdruck an den Transpondern änderte. Relative Bewegungen zwischen den Transpondern veränderten dagegen die Laufzeit der akustischen Signale, die unter diesen ausgetauscht wurden. Indem Urlaub und ihre Kollegen solche Messdaten miteinander kombinierten, ließen sich die Bodenbewegungen mit einer Genauigkeit im Millimeterbereich bestimmen. Die Messwerte vom Meeresboden verglich das Team dann mit den an Land ermittelten Werten.

Das Bild zeigt zylindrische Messgeräte, die an einem Kran hängen. Im Hintergrund in der Vulkan Ätna zu erkennen.

Installation der Transponder

Im Zentrum der aktuellen Studie steht eine Bewegung der Vulkanflanke, die sich im Mai 2017 über einen Zeitraum von acht Tagen ereignete. An Land bewegte sich der Boden maximal vier Zentimeter gen Meer, unter Wasser sogar mehr als vier Zentimeter. Dieses Muster passt nicht zu der Annahme, dass Veränderungen im Magma die Bewegung hervorrufen. Denn in diesem Fall sollten die Messwerte in der Nähe des Vulkans am größten sein. Vielmehr liefert die Beobachtung vom Mai 2017 ein Indiz dafür, dass die Rutschung vorrangig durch die Schwerkraft bedingt war.

Im Extremfall kann die Rutschung von unterseeischen Vulkanflanken einen Tsunami auslösen, schreiben die Wissenschaftler. Außerdem wisse man von den Kanarischen Inseln, dass der Kollaps von Flanken häufig explosiven Vulkanausbrüchen vorausging. Auf diesen Zusammenhang würden auch Sedimente am Meeresboden um den Ätna hindeuten. Morelia und ihr Team weisen darum warnend darauf hin, dass das Risiko eines Kollapses von Vulkanflanken bei anderen Vulkanen, die ebenfalls ans Meer grenzen, unterschätzt worden sein könnte – insbesondere dort, wo die Dynamik der Flanken unbekannt ist.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2018/warum-der-aetna-gen-meer-rutscht/