Wie gelingt die perfekte Schokolade?

Rainer Kayser

Auf einem Tisch liegen verschiedene Leckereien aus Schokolade, darunter ein Schokoladenweihnachtsmann, sowie eine Weihnachtsmannmütze

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Weihnachtszeit ist Schokoladenzeit: Nur wenige Menschen können der süßen Verlockung widerstehen. Mit Physik haben die Weihnachtsmänner und anderen Leckereien aus Schokolade sicherlich nichts zu tun – oder doch?

Schokolade soll, so der Wunsch, seidig glänzen, beim Brechen knacken und im Mund zart schmelzen. Einfach nur Schokolade schmelzen, formen und wieder abkühlen lassen, führt meist allerdings nicht zum gewünschten Ergebnis – was viele Hobbybäcker vermutlich bestätigen können. Denn geschmolzene und dann wieder abgekühlte Schokolade wird oft nicht einmal richtig fest.

Der Knackpunkt – im wahrsten Sinne des Wortes – ist eine Eigenschaft der in der Schokolade enthaltenen Kakaobutter: Das Fett bildet beim Abkühlen sechs ganz unterschiedliche Kristallformen, von denen lediglich eine – von Chemikern und Physikern als Kristallform V bezeichnet – die gewünschten Eigenschaften aufweist. Die verschiedenen Kristallformen besitzen zwar alle die gleiche chemische Zusammensetzung, unterscheiden sich aber in Bezug auf ihre physikalischen Eigenschaften wie Dichte, Härte und Schmelzpunkt. Kühlt man geschmolzene Schokolade einfach ab, so entstehen hauptsächlich die Formen I bis IV, die bei Raumtemperatur nicht vollständig fest werden.

Und es kommt noch schlimmer: Diese Kristallformen wandeln sich recht schnell in die thermodynamisch stabilste Variante VI um. Bei diesem Vorgang nimmt das Volumen der Fettkristalle zu, deshalb wird ein Teil der Kakaobutter an die Oberfläche der Süßigkeit gedrückt und bildet dort den als „Fettblüte“ oder „Fettreif“ bezeichneten gräulichen Belag. Zwar ist dieser Fettreif nicht schädlich – mit Schimmel hat er nichts zu tun –, aber er sieht unästhetisch aus und hat zudem mit 34 bis 36 Grad Celsius einen höheren Schmelzpunkt als die Kristallform V. Und das ist ein paar Grad zu hoch für das zartschmelzende Geschmackserlebnis, das wir uns bei guter Schokolade erhoffen.

Die Grafik zeigt die verschiedenen Schritte beim Temperieren von Schokolade

Temperieren von Schokolade

Die unterschiedlichen Schmelzpunkte der verschiedenen Kristallformen der Kakaobutter liefern aber glücklicherweise auch einen Lösungsansatz. Damit sich bevorzugt die erwünschte Kristallform V bildet, sollte Schokolade bei der Verarbeitung „temperiert“ werden. Das bedeutet, man stellt durch eine geschickt gewählte Abfolge von Erwärmen, Abkühlen und erneutem Erwärmen sicher, dass die unerwünschten Kristallformen nach und nach verschwinden. Am Ende des Vorgangs muss die Temperatur unterhalb des Schmelzpunktes von Kristallform V, aber oberhalb der Schmelzpunkte der Kristallformen I bis IV liegen, also typischerweise bei etwa 30 Grad Celsius.

Sobald ausreichend Kristallisationskeime der Form V vorliegen, darf die Masse langsam weiter abkühlen. Doch bis sich diese Ausgangspunkte für die weitere Kristallisation gebildet haben, können Stunden oder gar Tage vergehen. Und das ist weder im Haushalt noch im industriellen Rahmen praktikabel. Mit einigen Tricks lässt sich das Wachstum der gewünschten Kristallform V jedoch fördern. Schokoladenhersteller setzen vor allem zwei Methoden für diesen Zweck ein: Sie rühren die Schokomasse unter kontrollierten Bedingungen um oder fügen kleine Mengen fester Schokolade, die sich bereits in der gewünschten Kristallform befindet, hinzu.

Die erste Methode macht sich mechanische Scherkräfte zunutze, die beim Rühren vor allem zwischen Rührwerk und Wandung auftreten. In diesem Scherspalt zerfallen größere Kristalle durch die Scherungskräfte in kleinere, die dann wieder als Kristallisationskeime in der Schokoladenmasse wirken können. Das klingt einfach, ist es aber nicht. Denn durch den Rührprozess wird der flüssigen Masse ständig Bewegungsenergie zugeführt, die sich durch Turbulenzen gleichmäßig in der Schokolade verteilt und schließlich in Wärmeenergie umwandelt. Zwar erwärmt sich die Masse dadurch nur leicht, doch dieser Effekt kann die gewünschten Kristalle wieder zerfallen lassen. Erst eine geeignete Kombination aus mäßigen Scherkräften und gleichzeitigem Kühlen führt zu einer optimalen Kristallisation.

Bei der zweiten Methode, dem „Impfen“, führt man der flüssigen Masse zerkleinerte Schokolade zu. Da die kleinen Schokoladenstückchen bereits in der Kristallform V vorliegen, lagert sich an ihnen rasch weiteres Fett in der gewünschten Form an. Dieses Verfahren eignet sich besonders für kleine Mengen, also auch bei der häuslichen Weihnachtsbäckerei, wobei die flüssige Schokolade auf 30 bis 33 Grad Celsius gekühlt und beim Impfen behutsam gerührt werden muss.

Mit diesen Kniffs gelingt es also, Schokolade mit den gewünschten Eigenschaften herzustellen. Allerdings sollten die fertigen Leckereien schnell verspeist werden. Denn leider ist auch die Kristallform V nicht vollkommen stabil – nach langer Lagerung wandelt sie sich in die Form VI um und es bildet sich Fettreif auf der Oberfläche. Industrielle Produkte sind häufig mit speziellen – natürlich geschmacks- und geruchsneutralen – Beschichtungen versehen, um die Haltbarkeit zu verlängern und den Glanz der Schokoladenoberfläche zu erhalten.

Die Grafik zeigt einen vergrößerten Ausschnitt der Schokolade, auf dem die einzelnen Bestandteile zu erkennen sind.

Schokolade im Röntgenlicht

„Der Fettreif ist zwar völlig harmlos, führt aber durch Ausschuss und Reklamationen zu Millionenschäden in der Lebensmittelindustrie“, erläutert Svenja Reinke von der Technischen Universität Hamburg-Harburg. Zusammen mit ihren Kollegen untersuchte die Wissenschaftlerin das Phänomen vor einigen Jahren mit der Röntgenlichtquelle PETRA III am Forschungszentrum DESY. In ihren Experimenten ließ sich erstmals live beobachten, wie flüssiges Fett durch die Schokolade wandert. An der Oberfläche angekommen kristallisiert das Fett und bildet dort die unansehnlichen Flecken. Ein Tipp der Forscher: Wer lange Freude an seiner Schokolade haben möchte, sollte sie möglichst bei 18 Grad Celsius lagern.


Glanz aus physikalischer Sicht

Schokolade soll seidig glänzen – schön und gut, aber was ist Glanz überhaupt? Trifft Tageslicht oder das Licht einer Lampe auf einen Gegenstand, absorbiert und reflektiert dessen Oberfläche das Licht in charakteristischer Weise. Reflektiert ein Objekt beispielsweise rotes Licht besonders stark, während es Licht anderer Wellenlängen stärker absorbiert, dann erscheint uns die Oberfläche in roter Farbe.

Die Reflexion kann je nach Oberflächenstruktur entweder diffus oder gerichtet erfolgen – also mehr oder weniger gleichmäßig in alle Richtungen. Während eine glatte Oberfläche spiegelt, reflektiert eine raue Oberfläche das Licht diffus. Für die meisten Oberflächen liegt eine Mischform vor. Als Glanz bezeichnet man in der Physik den Quotienten aus dem gerichteten zum diffusen Anteil des reflektierten Lichts. Das für Schokolade oft verwendete Etikett „seidiger Glanz“ entspricht einem physikalischen Glanz im Bereich 0,3 bis 0,4.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/hinter-den-dingen/wie-gelingt-die-perfekte-schokolade/