So funktioniert die Verbundforschung

Mehrere Antennenschüsseln vor einem leicht bewölkten Himmel.

Einen besonderen Schwerpunkt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Bereich der physikalischen Grundlagenforschung bildet die sogenannte Verbundforschung. Sie ermöglicht Forschungsgruppen den Zugang zu Experimentiereinrichtungen an nationalen und internationalen Forschungszentren. Diese Zusammenarbeit trägt zu einer optimalen wissenschaftlichen Nutzung und Weiterentwicklung der vom Bund finanzierten Forschungsinfrastrukturen bei.

Die Förderung der Grundlagenforschung an Großgeräten in Deutschland stützt sich auf mehrere Säulen. Zunächst ist der Bund am Bau und dem Betrieb der Großgeräte beteiligt. Beides erfolgt sowohl durch die Großforschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft als auch durch Institute der Leibniz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft oder durch internationale Forschungsorganisationen wie CERN, ESRF, ESO und ILL, an denen Deutschland beteiligt ist. Beispielsweise liegt der deutsche Anteil an der Finanzierung des gesamten CERN-Budgets bei 20 Prozent – damit ist Deutschland der größte Beitragszahler. Diese Mittel fließen in die lokale Infrastruktur, insbesondere in den Bau des LHC-Beschleunigers.

Der Bau eines Großgerätes vollzieht sich in einem längeren Lebenszyklus. Am Anfang stehen die Idee und der Blick in die Zukunft: Welche zentralen Fragen stehen im Fokus der Wissenschaft? Welche Geräte werden durch innovative technologische Fortschritte ermöglicht? Welches Gerät stößt für sein Gebiet die Tür zu neuen Forschungsansätzen auf? Wissenschaftliche und wissenschaftspolitische Aspekte werden bedacht, relevante Organisationen und Personen in die Beratung einbezogen, eine Vorschlagsliste von Projekten, die aus forschungspolitischer Sicht wünschenswert sind, wird erstellt. Aus dieser Liste werden anschließend die Projekte ausgewählt, die vorrangig zu realisieren sind, und zu einer Roadmap zusammengefasst. Jedes einzelne dieser ausgewählten Projekte durchläuft nun vom detaillierten technischen Report über die Entwicklung und Ausführung bis zum Abschluss seinen Realisierungsprozess, an dessen Ende der Regelbetrieb steht.

Ausdauer in der Forschung, Ausdauer in der Förderung

Hat ein Großgerät nach dieser langen Entwicklungsphase von den ersten Konzepten bis zur instrumentellen Ausstattung den wissenschaftlichen Betrieb erreicht, beginnt der Forscheralltag: Forscher aus der ganzen Welt nutzen das Potenzial der Anlage für ihre spannenden Projekte, arbeiten an ihren Doktorarbeiten, beantragen Messzeiten bei den Forschungszentren und Fördermittel bei den nationalen Geldgebern, in Deutschland beispielsweise bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Die Projektförderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Verbundforschung bildet gewissermaßen die Brücke zwischen dem Bau eines Großgeräts und ihrer Nutzung. Sie verzahnt die Zentren mit den Universitäten und schafft in wechselseitiger Befruchtung eine Expertise an den Großgeräten, von der alle späteren Nutzer in großem Maße profitieren. Da im Zentrum der Verbundforschung die innovative instrumentelle Ausstattung der Großgeräte steht, werden in erheblichem Umfang Sachmittel und Investitionen in Materialien und Hardware übernommen.

Tunnel des LHC

Tunnel des LHC

Schließlich möchte die Verbundforschung mit der Entwicklung neuer Technologien die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der Großgeräte steigern. Diese Mittel kommen gleichzeitig auch der universitären Ausbildung und dem talentierten naturwissenschaftlichen Nachwuchs zugute. Auch die Universitäten decken einen Teil der Projektkosten ab: Erst universitäre Eigenmittel und BMBF-Fördermittel zusammen garantieren im internationalen Wettbewerb eine deutliche Sichtbarkeit, die maßgebliche Beiträge im Bereich der wissenschaftlichen Erkenntnisse und Publikationen sichert.

Auch ein Antrag auf Projektförderung durch die Verbundforschung hat einen längeren Lebenszyklus. Er beginnt mit der Idee für ein wissenschaftliches Instrument. Dabei berücksichtigt der Antragsteller, beraten durch das BMBF und die vom BMBF beauftragen Projektträger, die aktuellen Trends und Entwicklungen in der Wissenschaft sowie die strategische Ausrichtung und die Prioritäten der Forschungspolitik.

Die eingereichten Anträge einer Förderrunde werden einem eigens berufenen Gutachtergremium vorgelegt, das aus Experten auf dem jeweiligen Gebiet besteht. Ein erfolgreiches Projekt läuft in der Regel drei Jahre und wird in dieser Zeit vom zuständigen Projektträger begleitet und anhand jährlicher Zwischenberichte koordiniert. Der ausführliche Schlussbericht wird wieder den Gutachtern zur Bewertung vorgelegt und veröffentlicht – schließlich wurde die Forschung aus Steuergeldern finanziert. Oftmals liegt zu diesem Zeitpunkt bereits ein neuer Antrag mit frischen Ideen auf dem Tisch, wie man ein Instrument weiter verbessern und ausbauen kann – der wissenschaftliche Fortschritt ruht nie.

Forschungsschwerpunkte

Bereits vor der Antragsstellung werden mögliche Kooperationspartner bei anderen Forschungsgruppen, die ähnliche Ansätze verfolgen, gesucht. Gerade in der Forschung an Großgeräten ist es wichtig, frühzeitig Allianzen zu bilden – anders sind die technologischen und finanziellen Herausforderungen heute kaum noch zu bewältigen. Zudem profitieren die späteren Nutzer davon, wenn verschiedene Forschungsansätze und -bedürfnisse in die Entwicklung eines Instruments einfließen. Die Verbundforschung fördert also nicht nur die Zusammenarbeit zwischen Großgeräten und Universitäten, sondern auch die der Universitäten untereinander. In diesem Sinne wirkt sie positiv auf die Bündelung von Kräften und die Gruppierung von Knowhow um die zentralen Forschungsfragen herum.

Um den Trend zur überregionalen Zusammenarbeit in der Verbundforschung noch weiter zu stärken, wurde 2006 ein neues strategisches Wettbewerbselement aufgelegt: die Forschungsschwerpunkte (FSP). Die Förderung zielt auf die Zusammenarbeit der jeweils besten Fachbereiche in Forschungsnetzwerken, angesiedelt an einem Großgerät der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung. Damit soll Spitzenforschung langfristig unterstützt werden, die dann auch im globalen Wettbewerb ihren Platz behauptet. Außerdem sichern die Forschungsschwerpunkte die Qualität der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses und strahlen weit in die Wissenschaftslandschaft hinaus.

Drei der vier bisher eingerichteten Forschungsschwerpunkte sind am LHC beheimatet: ATLAS und CMS erforschen die Natur des Higgs-Teilchens, ALICE erforscht die Eigenschaften des Universums zu Beginn seiner Entwicklung. Komplettiert werden die Detektoren durch die Photonenquelle FLASH am DESY, mit der Materie auf der Nanoskala beleuchtet wird. 

Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/bmbf/verbundforschung-erklaert/