Protonenmikroskop PRIOR

Lisa Leander

Ähnlich wie Röntgenstrahlen können auch Protonen dazu genutzt werden, Objekte zu durchleuchten und damit Bilder zu erzeugen. Am Ringbeschleuniger des GSI Helmholtzzentrums nahmen Forscher um Philipp-Michael Lang von der TU Darmstadt kürzlich ein neues Protonenmikroskop in Betrieb. 2018 soll das Experiment an die Beschleunigeranlage FAIR umziehen und dort für den Nachweis der Eigenschaften und Dynamik von Materie hoher Energiedichte eingesetzt werden.

Um Strukturen zu erforschen, die mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen sind, benutzt man schon seit mehreren Hundert Jahren Lichtmikroskope. Das Prinzip dahinter hat sich seither nicht verändert: Eine Probe wird mit Licht angestrahlt, das anschließend durch Vergrößerungslinsen fällt. Auch eine andere Art von Mikroskop funktioniert auf diese Weise.

Philipp-Michael Lang: „Ein Protonenmikroskop ist im Prinzip so etwas ähnliches wie ein Lichtmikroskop, nur mit dem Unterschied, dass wir statt sichtbarem Licht für die Abbildung hochenergetische Protonen verwenden, die es uns ermöglichen, Objekte und Strukturen sichtbar zu machen, die im sichtbaren Licht unsichtbar wären.“

Porträtbild von Philipp-Michael Lang

Philipp-Michael Lang

Gemeinsam mit einem internationalen Team forscht Philipp-Michael Lang an dem Protonenmikroskop PRIOR, das im April 2014 am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Betrieb ging. Derzeit ist das Experiment noch in der Probephase.

„Die Auflösung, die wir bei unserer ersten Strahlzeit mit dieser neuen Anlage auf Anhieb erreichen konnten, liegt bei dreißig bis vierzig Mikrometern. Das ist schon in den Regionen, wo vergleichbare Anlagen in den USA oder Russland hinkommen. Wir beabsichtigen aber jetzt in den nächsten Wochen, diese Auflösung noch weiter zu erhöhen – auf bis zu unter zehn Mikrometer.“

Eine so hohe Auflösung lässt sich auch mit hochmodernen Lichtmikroskopen erreichen. Das Besondere an PRIOR ist jedoch, dass die Protonen Metallschichten oder andere Materialien durchdringen und Strukturen darunter sichtbar machen können. Außerdem bilden die Protonen keinen kontinuierlichen Strahl, sondern treffen in einzelnen Pulsen auf die Probe. Auf diese Weise lassen sich aufeinanderfolgende Bildsequenzen aufnehmen und die Bewegungen von Objekten einfangen.

„Ein ganz großes Anwendungsgebiet ist die Materialforschung, wo man Materialstrukturen auf der Mikrometerskala sehr genau verstehen und charakterisieren möchte. Es hilft auch dabei, neue Materialien zu entwickeln – zumal ich sie mir bei der Herstellung dynamisch anschauen könnte. Aber auch für industrielle Anwendungen, bei der Untersuchung von mechanischen Bauteilen, sich bewegenden Bauteilen und ähnlichem ist es interessant.“

Fast mit Lichtgeschwindigkeit

Die Protonen für ihr Mikroskop stellen die Wissenschaftler aus Wasserstoffgas her. Denn die Atome dieses Elements bestehen nur aus einem Proton im Kern und einem Elektron in der Hülle. Die Forscher müssen also nur die Elektronen entfernen, um die Protonen zu erhalten. Anschließend werden die Teilchen im Ringbeschleuniger auf 98 Prozent der Lichtgeschwindigkeit gebracht. Die Beschleunigerrohre sind von speziellen Magneten umgeben: Diese weisen nicht nur einen Nord- und Südpol auf, sondern insgesamt vier magnetische Pole. Deshalb werden sie auch als Quadrupolmagnete bezeichnet.

„Innerhalb des Beschleunigers dienen Quadrupolmagnete dazu, dass der Strahl nicht auseinanderläuft. Der Strahl besteht ja aus einzelnen geladenen Teilchen, die sich einerseits untereinander abstoßen und andererseits nie alle perfekt in die gleiche Richtung fliegen. Das heißt, mit der Zeit wird er sich immer weiter aufweiten und ich kann Quadrupolmagnete zur Fokussierung benutzen, um das zu verhindern.“

Experimentaufbau mit Stahlröhren auf einem Gerüst, die in mehrere Segmente unterteil sind.

Aufbau von PRIOR

Am Ende der Beschleunigerstrecke durchdringt der Strahl die Probe. Die elektrisch geladenen Protonen werden von Atomkernen oder ihrer Elektronenhülle gestreut und verlieren dabei einen Teil ihrer Energie. Hinter dem Versuchsaufbau befinden sich weitere Quadrupolmagnete, die die gestreuten Protonen wie eine Art Linse auf den Detektor lenken.

„Innerhalb des Mikroskops, innerhalb der Optik, lassen sich die Protonen nach ihrem Streuwinkel aussortieren. Das heißt, man kann große Streuwinkel einfach rausschmeißen. Aus Regionen, wo die Probe sehr dicht ist, kommen dann letztendlich weniger Protonen auf der Bildebene an als aus Regionen mit niedrigerer Dichte. Dadurch erhalten wir einen Kontrast und den können wir abbilden.“

Im Gegensatz zu Lichtstrahlen in anderen Mikroskopen dringen die Protonen also bis in die Atomstruktur der Probe vor und bilden dadurch die Dichte des Materials ab. Für ihre ersten Tests haben die Forscher auf diese Weise Bilder vom Inneren einer Armbanduhr gemacht. Nun wollen sie sogenannte Plasmen untersuchen. In diesem Materiezustand sind Atomkerne und Elektronen nicht mehr aneinander gebunden, sondern liegen als freie geladene Teilchen vor. Plasmen können zum Beispiel entstehen, wenn Gewitterblitze die Luft im Bruchteil einer Sekunde schlagartig erhitzen. Auch großer Druck erzeugt Plasmen, beispielsweise in Planeten.

Nutzen für die Krebstherapie

„Plasmen sind im Inneren von großen Gasplaneten vorhanden, wie zum Beispiel dem Jupiter, aber auch im Erdinneren, im Erdkern. Diese Materiezustände möchte man natürlich genauer untersuchen und charakterisieren können und dazu möchte man sie eben auch im Labor erzeugen können.“

Philipp-Michael Lang und seine Kollegen benutzen für ihre Experimente dünne Drähte, durch die sie einen starken Strompuls schicken. Die Drähte verdampfen daraufhin explosionsartig und es entsteht ein Plasma.

„Ich habe nur das Problem, dass ich nur eine sehr kurze Zeit habe, um das Plasma zu untersuchen, bis es wieder verschwunden ist. Das heißt, ich brauche eine Anlage – ein Protonenmikroskop – mit einer hohen Zeitauflösung, sodass wir die Expansion dieses Plasmas, die üblicherweise nicht mehr als eine Mikrosekunde oder wenige Mikrosekunden beträgt, abbilden können.“

Links das Bild einer goldenen Armbanduhr ohne Armband, rechts das Mikroskopbild in schwarz-weiß, als dunkle und helle Schemen zeichnen sich die Teile der Mechanik im Inneren ab.

Bild vom Inneren einer Armbanduhr

Auch in einem anderen Bereich können die Protonen von großem Nutzen sein: in der Krebstherapie. Vor einigen Jahren wurde am GSI Helmholtzzentrum ein Verfahren entwickelt, bei dem Patienten mit Tumoren im Kopf- und Halsbereich mit einem Strahl aus Kohlenstoffionen behandelt werden. Damit der Ionenstrahl nur die Krebszellen schädigt, das umliegende Gewebe aber schont, muss vor der Behandlung festgestellt werden, wo genau der Tumor sitzt.

„Das Problem ist, dass der menschliche Körper ein sehr dynamisches System ist, er ist immer in Bewegung und der Tumor kann seine Position verändern. Diese Position kann ich daher nicht immer genau treffen. Aber wenn ich jetzt diesen Ionen- oder Protonenstrahl nehme und direkt dahinter ein Bild erzeugen kann, dann weiß ich genau, wo ich eigentlich hingezielt habe, und kann so einen Tumor möglicherweise viel präziser behandeln, ohne gesundes Gewebe zu beschädigen.“

Mit den Protonenstrahlen ließen sich die Tumore also gleichzeitig erkennen und behandeln. Tests für das Verfahren laufen bereits.

Im Jahr 2018 soll PRIOR dann umziehen zu der neuen Beschleunigeranlage FAIR, die derzeit auf dem Gelände des GSI Helmholtzzentrums in Darmstadt gebaut wird. Bei FAIR können Protonen auf höhere Energien beschleunigt werden, damit lässt sich die Zeit- und Ortsauflösung des Protonenmikroskops nochmals verbessern.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/bmbf/erforschung-kondensierter-materie/protonenmikroskop-prior/