Die Nanocluster Trap bei BESSY II

Franziska Konitzer

Eine Fotografie des Gebäudes, in dem sich die Photonenquelle BESSY II befindet.

Nanoteilchen aus einigen wenigen bis hin zu vielen Hunderten Atomen sind das Bindeglied zwischen einzelnen Atomen und ausgedehnten Festkörpern. Ihre Eigenschaften unterscheiden sich teilweise erheblich von denen der Materie, die wir in unserer makroskopischen Alltagswelt kennen. Das intensive Röntgenlicht der Photonenquelle BESSY II am Helmholtz-Zentrum Berlin erlaubt Wissenschaftlern, den Magnetismus der Nanoteilchen genauer zu erforschen – doch dafür müssen sie die winzigen Teilchen zunächst in die richtige Position bringen. In einem Verbundprojekt des BMBF haben Forscher deshalb eine spezielle Ionenfalle für die winzigen Teilchen bei der Photonenquelle aufgebaut. Die sogenannte Nanocluster Trap hält Nanoteilchen gefangen, sodass sie gekühlt, magnetisiert und mit Röntgenlicht bestrahlt werden können.

Eine Fotografie zeigt die Nanocluster Trap in der Experimentierhalle bei BESSY II.

Die Nanocluster Trap bei BESSY II

Zeigt Materie das gleiche Verhalten im Kleinen wie im Großen? Je nach Blickwinkel gibt es auf diese Frage erstaunlich komplexe Antworten. Zwischen dem Verhalten einzelner Atome und dem Verhalten von Festkörpern, die aus einer riesigen Zahl dieser einzelnen Atome bestehen, können Welten liegen. Hier stellen Nanoteilchen eine Art Bindeglied dar. Sie können aus lediglich zwei bis zu einigen Tausend Atomen bestehen und sind nur wenige milliardstel Meter groß. Die Erforschung solcher Nanoteilchen soll Wissenschaftlern nicht nur die Frage beantworten, wo der Übergang zwischen einer Ansammlung einzelner Atome und dem kontinuierlichen Festkörper stattfindet – und so grundlegende Fragen über das Verhalten von Materie klären. Nanoteilchen gewinnen auch in technischen Anwendungen zunehmend an Bedeutung, beispielsweise in Speichermedien, die immer kleiner werden. Um noch kompaktere Geräte zu ermöglichen, schrumpfen deren kleinste Einheiten auf Größenskalen von wenigen milliardstel Metern.

Gerade bei Speichermedien wie Festplatten spielen die magnetischen Eigenschaften des verwendeten Materials eine entscheidende Rolle, denn die einzelnen Bits werden mithilfe der Magnetisierung der Speichereinheit kodiert. Aber während bei makroskopischen Festkörpern gut bekannt ist, welche sich als Speichermedium eignen, ist das bei Nanoteilchen derzeit nicht der Fall. Bernd von Issendorff von der Universität Freiburg sagt dazu: „Bei Nanoteilchen sind die Eigenschaften häufig deutlich anders als bei Festkörpern. Wenn die Materie klein wird, ändern sich dadurch die magnetischen Eigenschaften. Die Frage ist nun, wie magnetisch diese kleinen Teilchen sind. Einzelne Atome sind nämlich oft magnetisch, aber wenn man diese Atome zu Molekülen oder zu Festkörpern zusammensetzt, dann verschwindet das meistens. Festkörper sind größtenteils nicht magnetisch.“

Dieser Übergang zwischen magnetischem Atom und nicht magnetischem Festkörper ist bislang noch nicht vollständig verstanden. Zwar wissen Forscher, dass sich das magnetische Moment eines Atoms – also wie magnetisch es ist und in welche Richtung diese Magnetisierung zeigt – aus zwei Komponenten zusammensetzt: dem Spinmagnetismus und dem Bahnmagnetismus. In Speichermedien bestimmt der Bahnmagnetismus wesentlich, wie stabil Informationen gespeichert werden können, denn dieser sorgt dafür, dass die Spinmomente in bestimmten Richtungen der Kristallstruktur „einrasten“.

Eine CAD-Zeichnung zeigt den schematischen Aufbau der Nanocluster Trap.

Schema der Ionenfalle

„Der Spinmagnetismus beruht auf den Elektronen im Atom, die selbst wie kleine Magnete sind, also ein magnetisches Moment haben“, sagt von Issendorff. „Zusätzlich bewegen sie sich auf Kreisbahnen um den Atomkern und diese Kreisbahn erzeugt ein weiteres magnetisches Moment – den Bahnmagnetismus.“ Je nachdem wie viele Elektronen sich um einen Kern drehen und wie ihre Spins zueinander ausgerichtet sind, ist das Atom magnetisch – oder eben nicht. In ausgedehnten Festkörpern ist zwar häufig noch das magnetische Moment aufgrund des Spins der einzelnen Elektronen vorhanden. Was aber oft fehlt, sind diejenigen magnetischen Momente, die aufgrund der Bahnbewegung der Elektronen um das Atom entstehen, weil im Festkörper eine solche einfache Umkreisung des Atomkerns nicht mehr stattfindet. „Bei Nanoteilchen ist nun die Frage, ob und wie sich die Spins zueinander ausrichten und wie viel von dem technologisch wichtigen Bahnmagnetismus noch vorhanden ist“, erläutert von Issendorff.

Es gilt also, die magnetischen Eigenschaften der Nanoteilchen genau zu vermessen. Diese Messungen sind allerdings nicht einfach. Trägt man etwa Nanoteilchen auf eine Oberfläche auf, verändern sich durch die Wechselwirkungen mit der Oberfläche auch ihre magnetischen Eigenschaften. Forscher benötigen also frei schwebende Nanoteilchen, die sich möglichst wenig bewegen, sowie das passende Licht, um die Eigenschaften der Teilchen zu sondieren. „Außerdem muss man in einer solchen Falle viele Teilchen speichern, damit man mit den Röntgenstrahlen darauf schießen kann und überhaupt ein Signal sieht“, erklärt von Issendorff. Die Nanoteilchen selbst werden zunächst direkt vor Ort in einer speziellen Quelle je nach Art und gewünschter Größe erzeugt und anschließend in die Falle gelenkt.

Im Rahmen der Verbundforschung fördert das Bundesforschungsministerium den Aufbau einer speziellen Ionenfalle für die winzigen Teilchen an der Photonenquelle BESSY II am Helmholtz-Zentrum Berlin, der von Wissenschaftlern der Universität Freiburg in enger Kooperation mit dem Helmholtz-Zentrum Berlin durchgeführt wird. BESSY II liefert als leistungsstarke Lichtquelle genau abgestimmtes Röntgenlicht hoher Intensität, das auf die Nanoteilchen in der „Nanocluster Trap“ gelenkt werden kann.

Eine Luftansicht von oben der Photonenquelle BESSY II

Die Photonenquelle BESSY II

Das Prinzip dieser Ionenfalle: Die erzeugten Nanoteilchen sind ionisiert, also elektrisch geladen, sodass sie in einem Vakuumrohr durch zeitabhängige elektrische Felder gefangen gehalten und so gespeichert werden können. Ohne jeglichen Kontakt zu einer Oberfläche schweben sie quasi frei im Vakuum. Die Falle selbst wird durch flüssiges Helium auf unter vier Grad über dem absoluten Nullpunkt gekühlt. Mithilfe eines Puffergases wird diese Temperatur auf die gespeicherten Nanoteilchen übertragen, damit sie nicht mehr zu stark thermisch angeregt sind. Denn das würde ihre Ausrichtung zerstören, für die das Herzstück der Anlage sorgt – ein supraleitender Magnet, der die Nanocluster Trap umgibt und mit seiner hohen Feldstärke von fünf Tesla dafür sorgt, dass die Nanoteilchen ihre magnetischen Momente parallel zu diesem äußeren Magnetfeld anordnen.

So gefangen, abgekühlt und ausgerichtet sitzen die Nanoteilchen nun in der Falle, bis das Röntgenlicht von BESSY II auf sie trifft. Dieses Röntgenlicht hat eine Drehrichtung: Es kann entweder links- oder rechtszirkular polarisiert sein. Die Nanoteilchen absorbieren abhängig von ihren magnetischen Eigenschaften rechts- oder linkszirkular polarisiertes Licht unterschiedlich stark. Durch die Absorption des Röntgenlichts werden die Nanoteilchen zerstört. Aus der anschließenden Analyse der Nanoteilchenfragmente können Forscher dann auf die Absorptionsstärke der Nanoteilchen und daraus auf ihre magnetischen Eigenschaften schließen.

Bei der Nanocluster Trap handelt es sich um einen komplexen Aufbau, der weltweit einzigartig ist. Deshalb war die ursprüngliche Version dieser Ionenfalle nur ein Prototyp, der zeigen sollte, dass dieses Experiment überhaupt möglich ist und funktioniert. So hatten sich die Forscher das Kernstück der Falle, den supraleitenden Magneten, von Forschern aus Japan geliehen. Das Verbundprojekt ermöglichte nun die Anschaffung eines eigenen Magneten. Außerdem hat die Nanocluster Trap nun einen permanenten Messplatz bei BESSY II bekommen und steht damit Wissenschaftlern weltweit zur Verfügung.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/bmbf/erforschung-kondensierter-materie/die-nanocluster-trap-bei-bessy-ii/