„Ein virtuelles Radioteleskop“

Dirk Eidemüller

Das Bild zeigt viele Teleskopantennen, die in einer kargen Landschaft stehen.

South African Radio Astronomy Observatory

Das Teleskopnetzwerk MeerKAT in Südafrika ist eines der weltweit größten Observatorien für Radiowellen. Es besteht aus insgesamt 64 Antennen, die Radiostrahlung aus dem Weltall empfangen und sich zu einem virtuellen Teleskop zusammenschalten lassen. So untersuchen Forscher zahlreiche Himmelsobjekte wie etwa schnell rotierende Neutronensterne oder auch ganze Galaxien. Wie das Radioteleskop genau funktioniert und wie MeerKAT nun ausgebaut werden soll, um in Zukunft noch genauere Himmelsbeobachtungen zu ermöglichen, berichtet Dominik Schwarz von der Universität Bielefeld im Interview mit Welt der Physik.

Welt der Physik: Wozu dient das Teleskop MeerKAT?

Porträt des Wissenschaftlers Dominik Schwarz

Dominik Schwarz

Dominik Schwarz: MeerKAT ist ein Radioteleskop, das bislang aus 64 großen Parabolantennen von je 13,5 Metern Durchmesser besteht. Jedes dieser Teleskope besitzt im Augenblick zwei Empfänger, also Empfangseinheiten für unterschiedliche Wellenlängen im mittleren Radiobereich. In Kürze geht für jede Antenne ein dritter Empfänger für höhere Frequenzen in Betrieb. Die Besonderheit von MeerKAT ist, dass sich alle 64 Antennen gleichzeitig zusammenschalten lassen. Dadurch funktionieren sie wie eine riesige gemeinsame Antenne von rund acht Kilometern Durchmesser. Somit ist MeerKAT das weltweit empfindlichste Radioteleskop für den mittleren Radiowellenlängenbereich und bietet herausragende technische Möglichkeiten, um Astrophysik zu betreiben.

Was lässt sich mit dem Radioteleskop beobachten?

Wir machen damit vor allem große Kartierungsprogramme. Dazu gehört die Analyse von neutralem Wasserstoffgas im Universum, um kosmologische Fragen wie die Entstehung und Verteilung von Galaxien besser zu verstehen. Denn Galaxien haben sich ursprünglich aus Wasserstoffgas gebildet. Wir untersuchen auch Radioemissionen in Galaxien, die entstehen, wenn ein aktives supermassereiches Schwarzes Loch im Zentrum das heiße Gas in einer Galaxie zum Leuchten im Radiobereich angeregt hat. Dank der Empfindlichkeit von MeerKAT können wir außerdem Radiostrahlung von Galaxien mit intensiver Sternentstehung, aber ohne ein Schwarzes Loch, beobachten. Denn hier ist die Strahlung der jungen, intensiv leuchtenden Sterne stark genug, um im galaktischen Gas ein nachweisbares Signal zu erzeugen.

Lassen sich auch einzelne kleinere Himmelskörper mit MeerKAT beobachten?

Zu den Klassikern der Radioastronomie gehören Pulsare – das sind schnell rotierende Neutronensterne, die Radiostrahlung aussenden. Von der Südhalbkugel, auf der sich das Teleskop befindet, haben wir Blick auf unser galaktisches Zentrum. Interessant wäre es, einen Pulsar zu finden, der nahe am Schwarzen Loch im Zentrum unserer Milchstraße vorbeiläuft. Damit ließe sich die Relativitätstheorie extrem genau überprüfen. Wir suchen aber auch nach sogenannten Fast Radio Bursts, also Schnelle Radioblitze, deren Ursache noch immer ungeklärt ist. Manche wiederholen sich, andere nicht. Mit etwas Glück können wir zur Lösung dieses Rätsels mit MeerKAT beitragen.

Schmetterlingsförmiges, wolkenartiges, blaues Gebilde im All

Galaxie PKS 2014-55

Bei solchen Beobachtungen fallen sicher große Datenmengen an. Wo werden diese Daten verarbeitet?

Hochempfindliche Radioteleskope baut man möglichst weit weg von der Zivilisation, um ein möglichst geringes Hintergrundrauschen zu haben. Zu den störenden Einflüssen gehören nicht nur Rundfunk und Mobilfunkmasten, sondern auch Rechenzentren, in denen die Beobachtungsdaten verarbeitet werden. Große Radioteleskope mit vielen Antennen wie MeerKAT erzeugen allerdings eine so riesige Menge an Daten, dass wir diese nicht alle über das Internet von Südafrika nach Europa schicken können. Jede Sekunde erhalten wir Daten in der Größenordnung von Terabyte, das entspricht rund 100 DVDs pro Sekunde. Wir benötigen also ein Rechenzentrum vor Ort, um das Datenvolumen mit modernsten Methoden zu reduzieren. Dieses befindet sich hinter einem Hügel, in einem speziell abgeschirmten, unterirdischen Gebäude, um möglichst jede Störstrahlung zu vermeiden.

Das Max-Planck-Institut für Radioastronomie baut nun zwanzig neue Teleskopschüsseln für MeerKAT. Wozu dienen die neuen Schüsseln?

Diese Schüsseln sind nochmals etwas größer als diejenigen, die bisher bei MeerKAT zum Einsatz gekommen sind. Sie werden rund 15 Meter Durchmesser haben und fünf statt drei Empfänger. Dank der neuen Schüsseln steigt auch die Leistungsfähigkeit von MeerKAT noch einmal deutlich: Wir werden dann ein virtuelles Radioteleskop von 17 Kilometern Durchmessern haben und damit nochmals eine deutlich höhere Winkelauflösung, Empfindlichkeit und Bildqualität. Außerdem werden solche Radioteleskope – neben anderen – auch beim kommenden internationalen Großprojekt Square Kilometer Array, kurz SKA, zum Einsatz kommen.

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Worum handelt es sich bei SKA?

Das riesige Radioteleskop soll eine neue Epoche für die Radioastronomie einläuten. Es wird sozusagen das Pendant im Radiowellenbereich zum Extremely Large Telescope und dem James-Webb-Weltraumteleskop. Auch bei SKA sollen mehrere Antennen zu einem großen Teleskop zusammengeschaltet werden. Dafür leisten MeerKAT sowie einige weitere Radioteleskopanlagen, wie LOFAR oder ALMA, aktuell wichtige Vorarbeit, denn dort kommt die nötige Technologie für SKA erstmals zum Einsatz.


Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt „D-MeerKAT-II: Ein deutscher Beitrag zur Weiterentwicklung der Radioastronomie im Zentimeterwellenlängenbereich“ im Zeitraum von Juli 2020 bis Juli 2023 mit rund 1 880 000 Euro.

Fördersumme: 1.882.616 Euro

Förderzeitraum: 01.07.2020 bis 30.06.2023

Förderkennzeichen: 05A20WM4, 05A20PC4, 05A20PE2, 05A20WO4, 05A20PBA, 05A20GUA, 05A20VH6

Beteiligte Institutionen: LMU München, Ruhr-Universität Bochum, TU Dortmund, TU München, Universität Bielefeld, Universität Hamburg, Universität Heidelberg

Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/bmbf/astro-und-astroteilchenphysik/radioastronomie-ein-virtuelles-radioteleskop/