Explosionen von Stickstoff auf Titan

Rainer Kayser

Vor vielen Millionen Jahren gab es auf dem Saturnmond Titan vermutlich gewaltige Explosionen von Stickstoff. In den dadurch entstandenen Kratern sammelte sich später flüssiges Methan an, wodurch sich ein Teil der heute sichtbaren Seen in den Polarregionen von Titan bildeten. Das zeigen Analysen der Höhenprofile mehrerer Seen auf dem Saturnmond. Wie Wissenschaftler im Fachblatt „Nature Geoscience“ berichten, sei es im Zuge einer globalen Erwärmung des Himmelskörpers zu den Explosionen gekommen.

„Titan ist außer der Erde der einzige Körper im Sonnensystem mit dauerhaften Seen auf seiner Oberfläche“, so Giuseppe Mitri von der Universität Chieti-Pescara und seine Kollegen. „Etwa 650 Seen finden sich an den Polarregionen, die meisten davon am nördlichen Pol.“ Im Gegensatz zur Erde sind diese Seen jedoch nicht mit Wasser gefüllt, sondern bei einer Durchschnittstemperatur von minus 180 Grad Celsius hauptsächlich mit flüssigem Methan. Und ähnlich zum irdischen Wasserkreislauf gibt es auf dem Saturnmond einen Methankreislauf mit Verdampfung, Niederschlägen, Flüssen und Flüssigkeitsreservoirs.

Landkarte: Die Radaraufnahme der Oberfläche des Saturnmonds Titan zeigt zahlreiche Seen aus flüssigem Methan.

Seen auf Titan

Bislang gingen Forscher davon aus, dass die Senken – in denen sich viele Seen befinden – ähnlich wie Karststrukturen auf der Erde entstanden. Doch dem widersprechen jetzt die Analysen von Höhenprofilen durch Mitri und seinen Kollegen auf Basis von Daten, die im April 2017 von der Raumsonde Cassini – bei ihrem letzten nahen Vorbeiflug an Titan – aufgenommen wurden. Die Form der untersuchten kraterähnlichen Becken entspreche demnach eher Strukturen auf der Erde, die durch Explosionen von Magma und Wasser entstanden sind. Mitri und seine Kollegen machen daher auf Titan das plötzliche Verdampfen von flüssigem Stickstoff, der sich unter der Oberfläche in Reservoiren befand, für die Struktur der Senken verantwortlich.

Die Wissenschaftler folgern daraus, dass es auf dem Saturnmond vor Millionen von Jahren deutlich kühler gewesen sein müsse. Die Oberfläche und Atmosphäre waren damals nicht wie heute von Methan, sondern von Stickstoff dominiert. Und da im Laufe der Geschichte die Sonne etwas wärmer wurde, könnte eine globale Erwärmung von Titan zu den Stickstoff-Explosionen geführt haben. Erst im heutigen, „wärmeren“ Klima konnten sich dann der Methankreislauf und die Methanseen herausbilden.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2019/explosionen-von-stickstoff-auf-titan/